Liebe Freunde der Kirchenmusik!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Der Herbst brachte für die Chorvereinigung einige besondere Herausforderungen: nach einem Jahr im Ausweichquartier „Werktagskapelle“ konnten wir in unseren neuen Probensaal (Schönlaterngasse, 1. Stock) übersiedeln. Also all unser Hab und Gut an Notenmaterial und CD-Lager wieder in Schachteln verstauen (ca. 50 Kartons) und am neuen Ort auspacken und einräumen. Danke an die Helfer!
Dann kam die Hiobsbotschaft: unser Chorleiter MMag. Andreas Pixner musste sich in Spitalsbehandlung begeben und fiel für vier Wochen aus! Glücklicherweise fanden sich zwei Dirigenten, die die Chorproben und die Aufführungen kurzfristig übernehmen konnten. Vielen Dank an Guido Mancusi und Michal Kucharko! Das Konzert am 18.10. (Rossinis Petite Messe solennelle) musste leider abgesagt und auf 2020 verschoben werden.
Der November strebt nun dem Höhepunkt des 2. Halbjahres mit vier herausragenden Werken zu: Die „Große Orgelsolomesse“ und die „Schöpfungsmesse“ von Haydn. Sodann die Messe in d-Moll von Bruckner und die Messe in As-Dur von Schubert. Ich denke, das ist ein fulminanter Höhepunkt der Saison spirituelle im zu Ende gehenden Kirchenjahr. Diese Kostbarkeiten der österreichischen Kirchenmusik sollten Sie nicht versäumen!
Wir dürfen Ihnen eine neue CD präsentieren: die Messe in e-Moll von Anton Bruckner (näheres zu dieser Messe finden Sie hier). Diese Messe stellt zweifellos den Höhepunkt unseres gesamten Repertoires dar, was den Anspruch an die stimmlichen Qualitäten der Mitwirkenden anlangt. Wir fanden die Messe im November 2018 besonders gelungen und für alle beglückend. Die Messbesucher ließen sich, als der Zelebrant wie immer vor dem Schlusssegen dem Chor und den Musikern dankte, nicht nur – wie meist – zu begeistertem Applaus, sondern sogar zu Bravo-Rufen hinreißen. Dennoch bleibt die nun auf CD vorliegende Aufnahme eine Live-Aufnahme, was bei dieser Messe ein ganz besonderes Wagnis darstellt. Nicht alles daran ist perfekt, es ist „live“ und kann nicht revidiert werden. Der Chorleiter hat Bedenken, die CD herauszubringen. Das ist seine Aufgabe: den Chor möglichst nahe an Perfektion heranzuführen. Auch so etwas muss gesagt werden, wenn man ein derartiges Werk auf CD bringt, ohne Studio-Qualität bieten zu können. Jeder kleine Fehler, jede leise Unsauberkeit, kann wieder und wieder abgespielt werden. Wir haben versucht, so wenig wie nur möglich davon zu machen und präsentieren Ihnen mit der Aufnahme aus dem wunderbaren Hochamt vom 18. November 2018 in der Wiener Jesuitenkirche dieses großartige, ja überwältigend schöne Werk in einem Wurf.
Mit dabei ist auch die Motette „Christus factus est“ von Bruckner.
Hartwig Frankl, Obmann
Freitag, 1. November 2019, Allerheiligen:
Joseph Haydn – „Große Orgelsolomesse“ Hob.XXII:04 (1770)
Näheres über dieses Werk finden Sie im Oktober Newsletter bzw. hier .
Solisten: Elisabeth Wimmer, Katrin Auzinger, Gernot Heinrich und Markus Volpert.
Zum Offertorium singt der Chor „Justorum animae“ von Antonio Salieri.
Justorum animae in manu Dei sunt, et non tanget illos tormentum malitiae. Visi sunt oculis insipien-tium mori, illi autem sunt in pace. |
Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand, und die Qual der Niedertracht rührt sie nicht an. Scheinen sie auch in den Augen Unwissenden zu sterben, so sind sie aber doch im Frieden. |
Sonntag, 10. November 2019:
Joseph Haydn „Schöpfungsmesse“ (1801) Hob. XXII:13
Haydn komponierte die Schöpfungsmesse in B-Dur als fünfte seiner sechs großen Messen von Juli bis September 1801. Die Uraufführung fand am 13. September 1801 in der Bergkirche zu Eisenstadt statt. Wolfgang Amadeus Mozart hat es nicht mehr geschafft, aber Joseph Haydn konnte es noch in seinem letzten Lebensjahrzehnt verwirklichen: Die Übertragung der kompositorischen Erfahrungen aus der Entwicklung der klassischen Sinfonie in die Messkomposition. Traditionell eher konservativ gehandhabt war dieses geistliche Repertoire auch in der Klassik noch stark an barocke Formen gebunden. Hinzu kamen, wie etwa im Fall von Mozart, einschneidende Reglementierungen durch den Auftrag gebenden Klerus, die zu der typischen Brevis-Messe der Klassik führten, welche auf engstem Raum den gesamten Text abspulen musste.
Auch Haydn hatte in früheren Jahrzehnten solche Werke komponiert, in denen aus Zeitgründen teilweise sogar verschiedene Textstellen gleichzeitig erklangen. Als alter Mann hat er sich solchen Beschränkungen nicht mehr unterworfen: Jeweils über vierzig Minuten dauern seine letzten beiden Messen, die 1801 bzw. 1802 fertig gestellt und unter den prägnanten Titeln“ Schöpfungsmesse“ und „Harmoniemesse“ bekannt geworden sind.
Innerhalb von ca. sechs Wochen hat Haydn die Missa solemnis in B-Dur im Jahre 1801 im Auftrag seines Dienstherrn Fürst Nikolaus II. Eszterházy komponiert. Der Beiname „Schöpfungsmesse“ ist zwar nicht authentisch, gründet sich aber wohl auf das Zitat im Gloria an der Textstelle „Qui tollis peccata mundi“ aus dem Oratorium Die Schöpfung, Nr. 32 Duett „Holde Gattin, dir zur Seite“, Takte 72-79 – respektive in auftaktiger Vollständigkeit Takte 173-181 – auf den Text „Der tauende Morgen, o wie ermuntert er!“. Maria Theresia, Gemahlin des Kaisers Franz II., soll diese Stelle missfallen haben, denn der Text „der du trägst die Sünden der Welt“ erklingt so locker und leicht, worauf die Kaiserin die Änderung der Stelle forderte. Die hierauf geänderte Fassung hat sich aber aufführungspraktisch nie durchgesetzt.
Als Solisten wirken mit: Monika Riedler, Martina Steffl, Franz Gürtelschmied und Klemens Sander.
Zum Offertorium hören Sie den Choral „Jesus bleibet meine Freude“ von J.S. Bach.
Sonntag, 17. November 2019:
Anton Bruckner – Messe d-Moll, WAB 26 (1864)
Zitate aus einer Diskografie von Hans Roelofs:
In der d-Moll-Messe bleibt die Rolle der Solisten begrenzt, so dass im Folgenden kaum darauf eingegangen wird. Viel auffälliger dagegen ist die Rolle des Orchesters, das, anders als bei den früheren kleineren Messen, nicht nur begleitet, sondern dem auch diverse charakteristische Zwischenspiele zugeteilt sind. Die Begleitung ist stellenweise originell und gar sperrig und darf nicht im allgemeinen Klang untergehen. Bruckner selbst hat für das Orgelintermezzo im Credo (T. 105-109) eine Alternative mit Blasinstrumenten geschrieben, so dass Dirigenten wählen können. Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass der Anfangssatz von Gloria und Credo von Bruckner nicht mitkomponiert worden ist: In der katholischen Liturgie wird dieser Satz vom Priester gesagt bzw. gregorianisch gesungen, und dann erst setzt der Chor ein. Bruckner setzte diesen Brauch voraus, und er ist also auch einzuhalten….
Die 1. Messe hat in punkto Beliebtheit nie mit den beiden anderen großen Messen mithalten können: Die fonografische Rezeption setzt, wenn man von dem Fragment (Gloria) unter Kalt (1920er Jahre) absieht, erst mit der Einspielung von Adler (1954) ein, und auch die Gesamtzahl der LP- und CD-Ausgaben hält sich sehr in Grenzen…..
Auch Ortmayer (2004) setzt auf Ausdruck und erreicht mit seinem vermutlich nicht-professionellen Chor eine eindrucksvolle Interpretation, die den professionellen Einspielungen im direkten Vergleich nur wenig nachsteht. Gleich das Kyrie wirkt heftig und drängend, der Chor singt hingebungsvoll und verlässlich mit großem technischem Können; es ist ein großer Chor, der einen monumentalen, üppigen Klang erzeugen kann, allerdings um den Preis, dass er etwas weniger wendig ist als bei Jochum, Matt, Gardiner oder Best. Das Orchester klingt eher pauschal, wodurch die Begleitung an ff-Tuttistellen weniger differenziert ist; leider sind die Streicher nicht immer gleich. Das Solistenquartett singt solide, aber mit etwas wenig Schmelz. Die Tempi sind moderat, vergleichbar mit denen Jochums. Wer eine gute Kostprobe von dem haben will, was der Chor zu leisten vermag, höre sich einmal das Credo an, das machtvoll erklingt; beim „Et resurrexit“ etwa wird das Crescendo eindrucksvoll aufgebaut für einen machtvollen Klimax; nur die „größeren“ Kollegen wie z.B. Jochum oder Gardiner sind da noch wirkungsvoller…….
Freuen Sie sich also mit uns auf dieses ganz besondere Ereignis, eine Liturgie mit einer der größten Messen, die die Kirchenmusik zu bieten hat, und mit Künstlern, die – so hoffen wir doch – dem hohen Anspruch des Werkes gerecht werden.
Solisten sind Monika Riedler, Katrin Auzinger, Franz Gürtelschmied und Yasushi Hirano.
Zum Offertorium hören Sie die Motette „Christus factus est“ von Anton Bruckner. Es ist der Anfang einer biblischen Textstelle aus dem Brief des Paulus an die Philipper (2,8–9).
Christus factus est pro nobis obediens usque ad mortem, mortem autem crucis. Propter quod et Deus exaltavit illum et dedit illi nomen, quod est super omne nomen. |
Christus ward für uns gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuze. Daher hat ihn Gott [über alle] erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen. |
Die Textstelle erfuhr zahlreiche Vertonungen in allen Epochen. Aus der Wiener Klassik ist ein Chorsatz von Michael Haydn überliefert.
Anton Bruckner hinterließ unter diesem Titel drei Chorwerke. Die dritte Komposition von 1884 (WAB 11) ist eine Motette für vierstimmigen gemischten Chor (SATB) a cappella in d-Moll. Sie wurde am 9. November 1884 in Wien uraufgeführt. Sie ist bei weitem die bekannteste der drei Kompositionen und zählt mitunter neben dem „Locus iste“ und dem „Ave Maria“ (WAB 6) zu Bruckners bekanntesten A-cappella-Chorkompositionen. Es ist ein anspruchsvolles Graduale, das mit chromatischen und modulatorischen Wendungen dem Passionstext hohe Ausdruckskraft verleiht.
Sonntag, 24. November 2019, Christkönigssonntag:
Franz Schubert – Große Messe in As-Dur, D 678 (1826)
„Wer die As-Dur-Messe nicht kennt, kennt die volle Bedeutung Schuberts überhaupt nicht.“ Das Urteil des Musikwissenschaftlers Herrmann Kretzschmar von 1888, diese Vertonung des Ordinarium missae sei ein zentrales Werk Schuberts, bestätigt der Komponist selbst: Nicht nur mit seinem Schreiben vom Februar an den Verleger Schott, dem er ein Verzeichnis seiner Werke sandte und mitteilte, er wolle ihn mit dieser Messe „mit meinem Streben nach dem Höchsten in der Kunst bekannt machen“; vielmehr beleuchten auch die Tatsache, dass es kein Auftrag war, dem Schubert mit der Komposition nachkam, wie auch die lange Entstehungszeit, die eine spätere Revision und den Austausch ganzer Teilsätze einschloss, dass hier kein Werk flüchtig skizziert wurde oder beiläufig entstand.
Mit der As-Dur-Messe hat es sich der Komponist nicht leicht gemacht: erste Entwürfe zum Kyrie datieren mit Nov. 1819, auch Gloria und Credo scheinen noch zügig in der Folge entworfen worden zu sein. Doch den Schlußsatz des Agnus Dei konzipierte Schubert erst drei Jahre später, im Herbst 1822, vermutlich allein, um eine Aufführung im darauffolgenden Frühjahr zu ermöglichen. Eine keineswegs leicht zu rekonstruierende Entstehungsgeschichte also, hinlänglich geeignet, das Klischee des wie in Trance komponierenden Künstlers zu widerlegen, zumal die As-Dur-Messe weitere drei Jahre später (1825/26) einer umfassenden Bearbeitung unterzogen wurde.
Die Komposition einer Missa solemnis als einer reich besetzten und ausgedehnten „großen“ Messe, deren ungewöhnliche Tonart zudem Aufführungen kaum erleichtert, könnte leicht als Ausweis einer subjektiven Haltung eines Künstlers gewertet werden, der selbstgenügsam und nur zur höheren Ehre Gottes ein aufwendiges Werk schüfe; doch sind zugleich andere, durchaus handfeste Interessen zu erkennen, die sich mit Schuberts As-Dur-Messe verbinden: Die Demonstration kompositorischer Kompetenz, auch und gerade auf dem Gebiet liturgischer „Gebrauchs-“Musik, ist als Versuch Schuberts zu verstehen, sich über ein (neben der Oper) vielbeachtetes musikalisches Genre als seriöser Künstler zu profilieren. Auf diese Weise schien mit einer potentiellen Ernennung zum Hofmusiker eine keineswegs geringe gesellschaftliche Reputation erreichbar, wie Schubert gegenüber seinem Freund Josef von Spaun am 7. Dezember 1822 auch äußerte: „Meine Messe ist geendiget, und wird nächstens prodicirt werden; ich habe noch die alte Idee, sie dem Kaiser oder der Kaiserinn zu weihen, da ich sie für gelungen halte.“
Diese Intention erforderte notwendigerweise ein gründliches Überdenken konventioneller Praktiken, und Züge mitunter mutwilliger Innovation trägt Schuberts As-Dur-Messe insbesondere in den ersten Sätzen: Das Kyrie gliedert sich, durchaus ungewöhnlich, in fünf Abschnitte; die doppelte instrumentale Introduktion in unterschiedlichen Klangfarben greift eine Idee der ersten Messe in F-Dur auf und dient konsequent auch im Folgenden zur Gliederung. Im ersten Teil des Gloria wird ein symphonischer Gestus zu einem breiten, den liturgischen Anlass weit überschreitenden Hymnus genutzt und auf diese Weise hier zugleich ein Pendant für die überbordende „Cum Sancto Spiritu“-Fuge – auch dies eine nun glückliche Lösung eines in der ersten Messe visierten Problems – ausgebildet. Und in einem dynamisch wie agogisch zurückgenommenen Mittelteil gibt Schubert nicht nur den Solostimmen weiten Raum, sondern erprobt in einer konzisen Verschränkung von Chor und Vokalsolisten wiederum Neues: Das Bemühen, Gemeinplätzen von Messvertonungen auszuweichen, ist unverkennbar, wobei ein hohes Maß an kompositorischer Durcharbeitung ein Abgleiten in lärmende, pathetisch-plumpe Akklamation nirgends zulässt. Hier freilich wäre ein Moment individuellen Zugangs zum Text zu erkennen: Nachdenklich, verhalten nähert sich Schubert den vielfach vertonten Worten, und auch in Credo und Sanctus fehlt jedwede vordergründige Affirmation. Noch die Formel, mit der das Glaubensbekenntnis eingeleitet wird, erscheint in der wiederum doppelt instrumentalen Vorwegnahme so intim determiniert, dass schließlich eine Wiederholung der zweifachen Bläserakkorde hinreicht, das Wort „Credo“ fast als Erinnerungsmotiv zu vergegenwärtigen.
Unübersehbar ist allerdings auch, mindestens in den letzten Sätzen (Benedictus und Agnus Dei), eine Vertonung in eher großen Zügen, eine weniger verdichtete thematische Arbeit, und vielleicht wurden nur im Blick auf eine leichtere Ausführbarkeit in der Revision etliche kunstvolle Details, von klanglicher Differenzierung und dynamischen Kontrasten zwischen einzelnen Stimmgruppen, geopfert. Die Aufgabe, künstlerischen Anspruch und liturgische Funktionalität miteinander zu vereinbaren, ist offenkundig noch nicht restlos gelöst.
Nach Angaben Ferdinand Schuberts wurde die Messe allerdings „nicht öfters als Ein oder zwei Male, und da in höchst ungenügender Weise“ aufgeführt. Nach Schuberts Tod ging das Autograph in den Besitz seines Bruders Ferdinand über. Aus dessen Nachlass gelangte das Manuskript in den Besitz der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Erst 1875 erfolgte die Drucklegung des Werkes.
(Aus dem Vorwort des Klavierauszuges des Carus-Verlages; „alte“ Rechtschreibung beibehalten)
Als Solisten wirken mit: Cornelia Horak, Annely Peebo, Gernot Heinrich und Klemens Sander.
Zum Offertorium hören Sie: „Wer bis an das Ende beharrt“ von F. Mendelssohn.