Sehr geehrte Damen und Herren!
Liebe Freunde der Kirchenmusik!
Wir haben am 16. Jänner mit einer wunderschönen Theresienmesse eine Art kleines Comeback gefeiert. Sie werden sagen, na gut, es wird eh schon die ganze Zeit vorher auch gesungen, was ist da jetzt so besonders?
Nun, die Theresienmesse, eine der „großen 6“ von Haydn, stellt nicht nur an die Sänger große Anforderungen, sondern ganz besonders an die Streicher. Haydn konnte dank der fixen Orchesterbesetzung am Eszterházy’schen Hof für damalige Verhältnisse geradezu virtuose Musik für die Geigen komponieren. Diese stellt auch heute noch sogar für Berufsmusiker eine echte Herausforderung dar. Dafür in dieser sehr speziellen Zeit Musiker*innen zu finden, die das auch in der kalten Kirche können, ist nicht einfach. Wir sind schon seit jeher mit einem Pool von Berufsmusiker*innen gesegnet, die es „drauf“ haben, mit einer Verständigungsprobe direkt vor der Aufführung so ein Werk konzertreif darzubringen. Diese ermöglichen uns immer wieder, auch solche „großen“ Werke aus unserem Repertoire in die Hochämter einzubringen.
In diesem Newsletter erfahren Sie ein wenig über die drei für Februar geplanten Messen. Ich bin vorsichtig mit der Ankündigung, denn wie wir in den jetzt beinahe zwei Jahren Pandemie gelernt haben, kann plötzlich alles anders sein, wenn etwa die Omikron-Wand auf uns hereinbricht.
Aber wir hoffen das Beste und müssen bei der Programmierung natürlich nicht nur auf die volatile Chorbesetzung, sondern auch auf die Kälte Rücksicht nehmen.
Im Februar hören Sie zunächst die „Piccolominimesse“ von Mozart, dann die Messe in B-Dur von Schubert, sowie die „Nicolaimesse“ von Haydn. Die Auswahl der Messen in der kalten Jahreszeit ist gar nicht so unproblematisch, denn es muss genau auf die Besetzung geachtet werden. Während die Streicher die Stimmung relativ einfach anpassen können, vertragen Instrumente wie die Orgel und die Bläser die Kälte gar nicht gut, daher werden öfter Messen ohne Blasinstrumente ausgewählt.
Martin Filzmaier, Obmann
Sonntag, 6. Februar 2022: W.A.MOZART – „Piccolominimesse“ KV 258 (1775)
Mit den C-Dur-Messen KV 258, 317 und 337 haben wir einen Block von drei Messen vor uns, die von Antonio Salieri in das Repertoire der Wiener Hofmusikkapelle aufgenommen wurden und zu den verschiedenen Gottesdiensten im Zusammenhang mit den Kaiser- und Königskrönungen sowie der Erbhuldigung Kaiser Leopold II. erklungen sind. Danach sind sie auch von dem Wiener – als Kopiaturbetrieb arbeitenden – Verlag Johann Traeg in den Handel gebracht worden. Die Messe KV 258 ist die kürzeste der drei und als „kleine“ unter diesen bezeichnet worden. Aus dieser „kleinen Messe“ oder „Missa piccola“ wurde in völligem Unverständnis der Zusammenhänge und in der Gewohnheit, dass ein Beiname oft mit einem Personen- oder Heiligennamen zu tun hat, die „Piccolomini-Messe“.
1983 veröffentlichte Papier- und Wasserzeichen-Untersuchungen von Alan Tyson lassen die Messe eindeutig auf Dezember 1775 datieren. Sie wäre demnach auf eines der Hochämter zum Weihnachtsfest dieses Jahres komponiert worden, auch wenn das besonders knappe, nur viertaktige „Et incarnatus“ dies gar nicht zu bestätigen scheint. Es ist aber eine Frage des theologischen Verständnisses, ob man eine Weihnachtsmesse oder eine Festmesse zum Weihnachtshochamt schreiben will. Aus der Art, wie das mächtige Unisoni des „Descendit de coelis“ und des „Et resurrexit“ das Adagio des „Et incarnatus“ flankiert – spricht eine besondere musikalische Deutung der Menschwerdung Gottes: Diese Musik erzählt uns, dass Gott auf die Erde kam, Mensch wurde, für die Menschen gekreuzigt wurde und in den Himmel zurückkehrte. Auch aus dem Benedictus kann man eine besondere Interpretation des biblischen Weihnachtsberichtes heraushören. Üblicherweise ist dieser Satz zart und lieblich gestaltet, weil man ihn im übertragenen Sinn als „Wiegenmusik“ verstand, wie sie dem neugeborenen Erlöser von den Hirten bei der Krippe non Bethlehem dargebracht wurde: In der davor erfolgten Wandlung ist ebenfalls der Erlöser zu uns gekommen; ihn begrüßen wir so wie die Hirten das Kind in der Krippe. Mozart schrieb nun in dieser Messe abseits an allen diesen Konventionen ein jubelndes Benedictus, man möchte meinen, in Anlehnung an jenen von den himmlischen Heerscharen nach der Verkündigung von Christi Geburt angestimmten Lobgesang für den, der nun zur Welt gekommen ist.
Wohl keine andere Messe lässt so viel über Mozarts religiöse und theologische Überlegungen bei der Komposition des Messtextes spekulieren wie diese – allerdings erst, seit wir wissen, dass sie 1775 im Hinblick auf das Weihnachtsfest komponiert wurde.
Zitiert aus „Mozart Sakral“ Wiener Mozartjahr 2006, Herausgeber Peter Marboe
Als Solist*en hören Sie: Cornelia Horak, Martina Steffl, Markus Miesenberger und Yasushi Hirano.
Sonntag, 20. Februar 2022: Franz SCHUBERT – Messe in B-Dur (1815)
Nur acht Monate nach der Komposition der G-Dur-Messe begann Schubert am 11. November 1815 seine 3. Messe, diejenige in B-Dur D 324. Sie ist gesetzt für Chor und Solistenquartett, zwei Violinen, Viola, je zwei Oboen, Fagotte und Trompeten, Pauken und einem aus Violoncello, Kontrabass und Orgel bestehendem Continuo. Obwohl die B-Dur-Messe mit einer Aufführungsdauer von etwa 30 Minuten durchaus noch als Missa brevis bezeichnet werden kann, weist sie diese große Besetzung als Werk für eine besondere Gelegenheit aus. Sie knüpft in dieser Hinsicht an der Messe in F-Dur, D 105 an, wenn auch in einem etwas kleineren Maßstab, was die Dauer betrifft. Obwohl als sicher angenommen werden kann, dass sie in Lichtental zur Aufführung kam, ist der genaue Anlass ebenso unbekannt wie das Datum, an dem die Komposition beendet wurde. Die autographe Partitur, die sich heute in British Library in London befindet, enthält einige spätere Korrekturen, die wohl im Zusammenhang mit einer Aufführung gemacht wurden. Sie scheint wohl auch außerhalb Wiens bekannt gewesen zu sein: Ferdinand Schubert berichtet in einem Brief an seinen Bruder Franz vom 6. Oktober 1824 von einer Aufführung einer Messe eines unbekannten Komponisten in Hainburg (zwischen Wien und Bratislava), zu der er gebeten wurde, die Orgel zu spielen. Als er die Noten erhielt, erkannte er in dem Werk die B-Dur-Messe des Brief-Adressaten. Die Aufführung selbst lobt er in den höchsten Tönen, nur der Tenor wäre „etwas ängstlich und stimmlich schwach“ gewesen… Das Répertoire International des Sources Musicales weist etwa ein halbes Dutzend Abschriften aus Österreich, Deutschland und Tschechien aus. Ihre Verbreitung war jedoch bei weitem nicht die der anderen drei Lichtentaler Messen in F-Dur, G-Dur und C-Dur. Auch heute noch scheint es die am wenigsten häufig aufgeführte Messe dieser Reihe zu sein. Der Erstdruck erfolgte jedoch bereits 1837 bei Haslinger in Wien. (Kirchenmusik in Benediktbeuern)
Als Solist*en wirken mit: Cornelia Horak, Martina Steffl, Gernot Heinrich und Klemens Sander.
Sonntag, 27. Februar 2022: Joseph HAYDN – „Nikolaimesse“ Hob. XXII:6 (1772)
In der Chronologie der Messen Joseph Haydns nimmt die „Missa Sancti Nicolai“ den sechsten Platz ein. Die erste Seite der autographen Partitur trägt folgenden Vermerk von Haydns Hand: „Missa di Sancti Nicolai. In Nomine Domini, di me Giuseppe Haydn 772“. Auch die Besetzung (2 Oboen, 2 Hörner, 2 Violinen, Bass, Orgel und 4 Chorstimmen) ist handschriftlich angegeben.
Der Anlass für die Komposition dürfte das Namensfest des Fürsten Esterhazy (6. Dezember) gewesen sein. Die Messe ist also bald nach der Symphonie Nr. 45 in fis-Moll, der „Abschiedssymphonie“, entstanden. Verglichen mit den vor 1772 komponierten Messen fällt auf, dass die Kontrapunktik – wir finden keine einzige Fuge – zugunsten liedmäßigen Gestaltens zurücktreten musste. Von der Taktart des Kyriesatzes (6/4) erhielt die Messe ihren Beinamen „Sechsviertelmesse“. Der pastorale Charakter des Satzes, der im „Dona nobis“ wiederholt wird, ist nicht zu überhören. Mit Ausnahme der Teile „Gratias agimus“ (Gloria, Sopransolo) und „Et incarnatus est“ (Credo, Tenorsolo) gibt es keine Einzelsoli, doch sind dem Soloquartett im Kyrie, Credo („Crucifixus“), Benedictus und Agnus Dei („Dona nobis“) sehr schöne Aufgaben zugewiesen. Auffallend ist die enge Verwandtschaft in melodischer, rhythmischer und tonartlicher Hinsicht des „Pleni sunt coeli“ aus dem Sanctus mit dem der „Nelsonmesse“ (komponiert 1798). Interessant ist ferner die Vertonung des Gloriatextes in nur zwei Sätzen – Vivace („Gloria in excelsis“) und Allegro („Quoniam tu solus sanctus“) – eine Form, die Haydn in keiner anderen Messe mehr verwendet. Das wörtliche Zurückgreifen auf die Tonmalerei des Kyrie beim „Dona nobis“ entspricht durchaus den Gepflogenheiten der Zeit und trägt in der „Missa Sancti Nicolai“ zum schon genannten pastoralen Charakter des Werkes sehr wesentlich bei.
Friedrich Wolf + (aus dem Booklet zur CD, 1982)
Als Solist*en hören Sie: Cornelia Horak, Martina Steffl, Gernot Heinrich und Klemens Sander.