Liebe mit der Kirchenmusik – und mit der Chorvereinigung – Verbundene!
Oktober war für die Chorvereinigung immer der Monat, wo nach den Sommerferien der Betrieb „so richtig“ losging: im September blieb das Programm meistens noch ein wenig schaumgebremst, weil viele Studenten noch nicht zurück an den Unis – und im Chor – waren, im Oktober aber konnten dann in voller Chorstärke schon die „großen“ Werke angesetzt werden. So war das früher. Vor der Pandemie.
Ist jetzt „nach der Pandemie“? Niemand weiß es. Gefühlt ist sie quasi vorbei. Es besteht noch immer die Befürchtung, dass spät im Herbst unser Programm wieder ausgedünnt wird, wenn zwischenzeitlich verräumte Beschränkungen wieder hervorgeholt werden (müssen). Aber zusperren wird man wohl nicht. Wahrscheinlich.
Von regelmäßigen Messbesuchern angesprochen, werden wir immer wieder gefragt: Wie geht es denn dem Chor? Meist sind die Fragenden an einer aufrichtigen Antwort interessiert, und deswegen sage ich: Es geht uns wie einem Eiskunstläufer, der wegen einer schweren Verletzung viele Monate ausgefallen und ans Bett gefesselt war. Er beginnt die neue Saison um viele Kilo leichter, die Muskelmasse ist weg, Kondition miserabel. Technik ist noch da, das merkt er bald; aber es wird lange dauern, bis er die früher für ihn selbstverständliche Form und Stärke wiedererlangt hat. Die Eleganz und Schönheit seiner Sprünge ist noch ganz wie früher – aber es sind wenige Sprünge, die er schafft, und die Kraft reicht eben noch lange nicht für einen Wettbewerb.
Nun bestreitet die Chorvereinigung keine Wettbewerbe, dort scheitert der Vergleich. Und wir sind ja auch nicht „aus der Übung“ und singen deshalb schlechter als vorher. Im Gegenteil: Auch schon vor dem Sommer gelangen uns wunderbare Aufführungen, manchmal geradezu exemplarisch – aber Aufführungen eben „kleinerer“ Werke; solcher, die man auch mit kleinerer Chorbesetzung gut singen kann, ohne dass eine Disbalance zum dann übermächtigen Orchester entsteht, wie das bei den großen Orchestermessen unvermeidlich wäre.
Haydns Harmoniemesse am letzten Septembersonntag: war das eine „kleine“ Messe? Natürlich nicht, was die Anforderungen an den Chor und an das Orchester angeht; aber „klein“ in Hinblick auf die Besetzungserfordernisse bei Schubert, Bruckner, den Romantikern. Wie gern würden wir auch diese Werke, geradezu Markenzeichen der Chorvereinigung, wieder ins Programm nehmen – aber das wird dauern; wie lange, das ist genausowenig absehbar wie das „Ende“ der Pandemie.
Jammern auf hohem Niveau, ein Luxusproblem angesichts der völlig aus den Fugen geratenen Weltlage – das ist uns bewusst. Und vieles, was wir gewohnt waren, gibt es ja noch: niemand muss bangen, unter Prof. Pixners Leitung vom Chor, von unseren Solistinnen und Solisten, Instrumentalistinnen und Instrumentalisten falsche Töne, verhaute Einsätze, aus den Fugen geratene Fugen zu hören: man kann sich darauf verlassen, sie bieten allesamt nach wie vor das Höchste, was in der Kirchenmusik zu finden ist, singen und musizieren mit Freude und Begeisterung, und das überträgt sich auf die Jesuiten genauso wie auf die Mitfeiernden in der Messe.
Wir machen keine Abstriche bei der Qualität, aber geben es fürs erste einmal ein bisschen kleiner und hoffen, dass viele gute Sängerinnen und Sänger ihren Weg zu uns finden. Wir müssen nicht nur gut sein, sondern auch viele. Gute Kammerchöre gibt es schon genug. Die Kombination von Qualität und Breite macht den besonderen Platz der Chorvereinigung aus. An der Breite müssen wir wieder arbeiten. – Vielleicht mit Ihnen…?
Ihr Martin Filzmaier
P.S.: Ein Wort noch zum Programm: Die Messen im Oktober werden Ihnen sicher sehr vertraut sein – und doch haben wir sie, von Schubert einmal abgesehen, seit 3 Jahren nicht mehr gesungen. Bei Fux ist es sogar schon fast 12 Jahre her, dass wir ihn auf dem Programm hatten – somit mehr oder weniger eine Neueinstudierung.
Die Schöpfungsmesse Ende des Monats ist nach der Harmoniemesse (der letzten der sechs „großen“) nun die zweite in der Serie der großen Haydn-Messen, die alle in dieser Saison angesetzt sind: Haydns vorletzte Messe. – Dazu auch ein paar interessante Details etwas weiter unten im Text.
Sonntag, 2. Oktober 2022: Franz SCHUBERT – Messe Nr. 3 in B-Dur (1815)
Große Messe in B-Dur, D 324 (op. posth. 141), entstanden 1815. Trotz seiner Arbeit als Lehrer komponierte er in diesem Jahr zwei Sinfonien Nr. 2 B-Dur, Nr. 3 D-Dur), zwei Messen (Nr. 2 G-Dur, Nr. 3 B-Dur), die Opern Der vierjährige Posten, Fernando und Claudine von Villabella sowie zwei weitere unvollendete. Dazu kamen das Streichquartett g-Moll, vier Sonaten und einige weitere Kompositionen für Klavier sowie fast 150 Lieder von teilweise beträchtlicher Länge, von denen er manchmal mehrere pro Tag schrieb.
Besetzung: Sopran-, Alt-, Tenor- und Basssolo, vierstimmiger gemischter Chor, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken, Orgel, Streicher. Ihrer Besetzung nach ist die B-Dur-Messe eher eine feierliche Messe („Missa solemnis“), aufgrund ihrer Aufführungsdauer fällt sie jedoch unter den Typus der „Missa brevis“. Das wiederkehrende Motivmaterial und eine als unangemessen bezeichnete Heiterkeit und Weltlichkeit wurden dieser Messvertonung in einigen Rezensionen vorgeworfen. Wieviel Heiterkeit religiöser Musik ansteht, ist aber ohne Zweifel eine Frage des jeweiligen Zeitgeschmacks und auch des persönlichen Empfindens.
Als Solisten wirken mit: Monika Riedler, Eva Maria Riedl, Thomas Ebenstein und Yasushi Hirano.
Sonntag, 9. Oktober 2022: W.A.MOZART – „Orgelsolomesse“ KV 259 (1776)
Die beiden C-Dur-Messen KV 258 und 259 sind zwischen Ende 1775 und 1776 entstanden. Sie weisen einige Parallelen auf. Der durch Pauken und Trompeten entstandene feierliche Charakter der beiden Messen wird durch später hinzugefügte Oboen-Stimmen weiter hervorgehoben. Dem Gebot der Kürze – eine ausdrückliche Anordnung des Salzburger Fürsterzbischofs – kommt große Beachtung zu. Es finden sich formale und satztechnische Neuerungen in den Sätzen Benedictus und Agnus Dei.
Die Orgelsolo-Messe KV 259 ist die kürzeste Messe Mozarts. Im Credo führt die Kürze zu diffuser Polytextur. Die konzertierende Behandlung der Orgel im Benedictus gab dieser Messe ihren Beinamen. In der Regel ist die Orgel in der figuralen, d.h. in der mit mehrstimmigem Gesang und Orchester bestrittenen Kirchenmusik ja nur begleitendes Continuo-Instrument. Seit der Frühklassik bis ins frühe 19. Jahrhundert wurde sie aber fallweise auch solistisch eingesetzt. Von Mozart in dieser Messe und in der „Missa solemnis“ KV 337, aber auch in der ersten seiner Vespern (KV 321).
Der Text des Benedictus ist in dieser Messe dem Soloquartett anvertraut, das sich zu einer ausgeschriebenen Kadenz über einem Orgelpunkt auf dem D des Orgelpedals steigert, wie sie in vergleichbarerer Weise aus Ensembles in Mozarts spätem Opernschaffen bekannt ist. Der liebliche Beginn des Kyrie hat eine solche Entwicklung und Steigerung gar nicht ahnen lassen.
Der erste Teil des Agnus Dei wirkt mit seiner pizzicato begleiteten Violinmelodie wie eine Serenade.
Einen Einblick in die kirchenmusikalische Praxis, aber auch in die stete Notwendigkeit, eine Kongruenz zwischen dem liturgischen Rang eines Festes und der dabei erklingenden Kirchenmusik herzustellen, liefert uns ein Brief Leopold Mozarts vom 28.Mai 1778 an seine Frau und an seinen Sohn in Paris. Am 17.Mai hatte im Salzburger Dom eine Bischofsweihe stattgefunden, bei der Leopold Mozart die Kirchenmusik zu leiten hatte: „Ich machte des Wolfg: Messe mit dem Orgl Solo: das Kyrie aber aus der Spaur Messe.“ Das schlichte Kyrie der „Orgelsolomesse“ war dem Fest der Bischofsweihe nicht adäquat, daher wurde es einfach aus der (heute so genannten) „Credomesse“ ersetzt. (aus Mozart Sakral, 2006)
Als Solisten hören Sie: Monika Riedler, Eva-Maria Riedl, Alexander Kaimbacher und Markus Volpert.
Sonntag, 16. Oktober 2022: Johann Joseph FUX – Missa in C-Dur, KV 46 (vor 1730)
Johann Joseph Fux (*um 1660 in Hirtenfeld bei Graz; † 13. Februar 1741 in Wien) war ein österreichischer Komponist und Musiktheoretiker. Johann Joseph Fux wurde ungefähr 1660 als Bauernsohn in Hirtenfeld geboren. Über sein frühes Leben ist nur bekannt, dass er um 1680 an der Universität Graz und von 1683 bis 1687 an der Universität Ingolstadt studierte. 1696 wurde er zum Organisten am Schottenstift in Wien ernannt. Er behielt diesen Posten bis 1702. Dadurch wurde der kaiserliche Hof auf ihn aufmerksam und ernannte ihn 1698 zum „Hofcompositeur“. 1701 wurde er Kapellmeister am Stephansdom. 1712 wurde er Vizehofkapellmeister der Wiener Hofmusikkapelle, nach dem Tod von Marc’Antonio Ziani 1715 Hofkapellmeister, eines der wichtigsten Ämter im europäischen Musikleben der damaligen Zeit. Daneben unterrichtete Fux auch Komposition. Zu seinen Schülern zählten Georg Christoph Wagenseil, Gottlieb Muffat und Jan Dismas Zelenka. Seine Ehe blieb kinderlos. Er starb 81-jährig am 13. Februar 1741 in Wien.
Fux’ einflussreichstes Werk war die Kompositionslehre „Gradus ad Parnassum“ (1725), ein Lehrbuch über die Grundlagen des Kontrapunkts. Das auf Latein verfasste Werk hat 1742 Lorenz Christoph Mizler, ein Schüler J. S. Bachs, ins Deutsche übersetzt. Es beeinflusste maßgeblich die Wiener Schule und diente bis ins 20. Jahrhundert hinein als Lehrbuch des Kontrapunkts. Fux’ breit gefächertes musikalisches Werk umfasst Opern, Kirchen- und Instrumentalmusik.
Ein Beispiel für seine Bühnenwerke ist die Geburtstagsoper für Kaiser Karl VI. aus dem Jahre 1715 „Orfeo ed Euridice“, welche auf einem Libretto von Pietro Pariati basiert. Ebenfalls auf ein Libretto von Pariati komponierte er seine vielleicht bekannteste Oper „Costanza e fortezza“, die 1723 in Prag anlässlich der Krönung von Kaiser Karl VI. zum König von Böhmen aufgeführt wurde.
Insgesamt komponierte er 18 Opern, rund 50 Messen, drei Requien, 57 Vespern und Psalmvertonungen sowie zehn Oratorien und 29 Partiten und Sonaten.
1872 veröffentlichte der Musikhistoriker und Mozart-Forscher Ludwig Ritter von Köchel sein bis heute verwendetes Standardwerk „Johann Josef Fux. Hofkompositor und Hofkapellmeister der Kaiser Leopold I, Joseph I, und Karl VI, von 1698 bis 1740“.
Im Gegensatz zum „Gradus ad Parnassum“ gerieten seine musikalischen Werke schnell in Vergessenheit. Fux wurde erst von Ludwig von Köchel „wiederentdeckt“, der eine Biographie und ein Werkverzeichnis herausgab.
Die Messe in C-Dur ist komponiert für vier Solisten, gemischten Chor, vier Trompeten, Pauken, Violinen und Basso continuo. (aus Wikipedia)
Es musizieren mit uns die Solisten Cornelia Horak, Martina Steffl, Gernot Heinrich und Felix Pacher.
Sonntag, 30. Oktober 2022: Joseph HAYDN – „Schöpfungsmesse“ (1801)
Die Schöpfungsmesse wurde zum Mariä-Namen-Fest am 13. September 1801 uraufgeführt. Der Beiname bezieht sich auf das berühmte musikalische Zitat aus Haydns Oratorium „Die Schöpfung“, das 1798 uraufgeführt worden war. Obwohl er bereits fast sein 70. Lebensjahr vollendet hatte, nahm Haydn an der Aufführung seiner Musik offenbar immer noch regen Anteil. Wie ein Mitglied des Orchesters später berichtete, lief Haydn, als er mit der Ausführung einer Solopassage in der Messe durch den Organisten nicht zufrieden war, „flink wie ein Wiesel“ zur Orgel und spielte sie selbst. Während keine spezifische Schilderung der Feierlichkeiten zu diesem Festtag überliefert sind, wurde berichtet, dass Haydns Bruder Michael bei der ersten Aufführung der Schöpfungsmesse zugegen war; außerdem dirigierte er am 4. Oktober eine Aufführung der Theresienmesse auf Schloss Laxenburg, der Sommerresidenz von Nicolaus II. Da er wusste, dass sein Kapellmeister sich wohl dem Ende seiner Laufbahn näherte, bot der Fürst Michael eine Anstellung am Esterházy-Hof an, die dieser jedoch letztlich ablehnte.
Eine der herausragendsten Qualitäten der Schöpfungsmesse ist ihre wunderbare musikalische Veranschaulichung des Textgeschehens — besonders das Gloria bietet hier ein exzellentes (und wohl auch das bekannteste) Beispiel. Kurz nach der kraftvollen Eröffnung im Chor wird in den Hörnern die Melodie von Adams und Evas Duett „Der tauende Morgen, o wie ermuntert er!“ aus der Schöpfung angekündigt. Diese geläufige Melodie begleitet sodann auch die Worte „Qui tollis peccata mundi“ („Der Du hinwegnimmst die Sünden der Welt“) und zieht damit eine Verbindung zwischen den „Sünden der Welt“ und den ersten Sündern. Wie Griesinger erklärt:
„In der Messe, die Haydn im Jahre 1801 schrieb, kam ihm der Gedanke, dass die schwachen Sterblichen meist nur gegen das Gebot der Mäßigung und Keuschheit sündigten. Daher vertonte er die Worte „Qui tollis, peccata, peccata mundi“ genau nach der Passage aus der Schöpfung ‚Der thauende Morgen, o wie ermuntert er‘. Damit dieser profane Gedanke aber nicht zu sehr auffalle, ließ er das ‚Miserere‘ gleich anschließend mit dem vollen Chor einsetzen.“
Während das kurze Auftauchen dieser vertrauten Melodie vielen seiner Zuhörer sicherlich ein Lächeln ablockte, war zumindest einer von Haydns Bewunderern gar nicht erfreut. Kaiserin Maria Theresia (Gattin von Franz II./I., nicht die Maria Theresia, Gattin von Kaiser Franz Stephan, die bereits 21 Jahre davor gestorben und eigentlich nie Kaiserin gewesen war, Anm. d. Red.) war derart empört über diese Wiederverwendung einer weltlichen Musik im Kontext der Messe, dass Haydn sich gezwungen sah, eine geänderte Fassung dieses Abschnitts für sie zu schreiben. Andere pittoreske Elemente sind weniger kontrovers. Im Credo führt ein zartes Orgel-Obligato — das den Flügelschlag einer Taube ins Bewusstsein ruft und damit den Heiligen Geist symbolisiert — das „Et incarnatus est“ ein, ein langsames, rhapsodisches Solo, das die Geburt Christi poetisch untermalt. Der kraftvolle Einwurf des Chors bei den wichtigen Worten „sub Pontio Pilato: / passus et sepultus est“ („unter Pontius Pilatus, / hat gelitten und ist begraben worden“) verleiht diesem zentralen liturgischen Moment zusätzliches Gewicht. Ähnlich überraschend ist die plötzliche eruptive Darstellung des Jüngsten Gerichts bei „judicare vivos“ („zu richten die Lebenden“), die sich rasch in eine litaneiartige Beschwörung der Toten („et mortuos“) auflöst Genau wie in den „Jahreszeiten“, die weniger als fünf Monate zuvor uraufgeführt worden waren, nutzte Haydn auch in der Schöpfungsmesse die Musik, um die Worte der Liturgie wirklich zum Leben zu erwecken.
Jennifer More Glagov
Als Solisten hören Sie Cornelia Horak, Katrin Auzinger, Angelo Pollak und Yasushi Hirano.