Newsletter November 2022

Nach der wunderbaren Aufführung der „Schöpfungsmesse“ im Hochamt vom 30. Oktober stehen im Monat November zwei weitere der „großen“ Messen Haydns auf dem Programm. Die „Heiligmesse“ haben wir vor fast genau 4 Jahren zum letzten Mal aufgeführt, damals mit etwa 55 Sängerinnen und Sängern, jetzt mit 25 oder 30. Doch gerade die Schöpfungsmesse hat uns wieder gezeigt, dass Qualität nicht von Quantität abhängt. Die vom Orchester her groß besetzten Messen mit Pauken und Trompeten machen die Jesuitenkirche an den Sonn- und Feiertagen wie gewohnt zu Orten von festlicher Pracht und Freude.
Zum Ende des Kirchenjahres, Christkönig, singen wir die Paukenmesse – schon zum zweiten Mal in diesem Jahr. – Wie angemessen, „in tempore belli“. Nicht kriegerisches Geschmetter stellt Haydn dabei in den Vordergrund: die Kriegstrommeln sind nur leise aus dem Hintergrund zu hören. Dafür singt der Chor fordernd, und doch zuversichtlich, ja geradezu strahlend in C-Dur sein „Dona nobis pacem!“.
Lange Zeit war es so, dass der Chor auf dem Podium grundsätzlich stand und sich nur während der Predigt setzen konnte, auch das nur auf die Stufen des Podiums. – Keine sehr glückliche Lösung. Seit längerer Zeit schon stellen wir Bänke auf, damit der Chor während der oft langen und anstrengenden Messen auch einmal ordentlich sitzen kann; dennoch wurde die Messe während der weit überwiegenden Zeit „durchgestanden“. Ab jetzt wollen wir es zur Entlastung der Singenden ermöglichen, auch während langer Solopassagen zu sitzen, bei langen Messen eventuell auch einmal, während die Gemeinde steht. Dies ist der besonderen – und durchaus kräfteraubenden – Rolle des Chores geschuldet, der damit aber voll in die Liturgie eingebunden bleibt, auch wenn dies nicht immer in derselben Haltung wie der der anderen Mitfeiernden geschieht. Wen das stören sollte, möge bedenken, dass der Chor während der von ihm gesungenen Teile den anderen Mitfeiernden das Sitzen ermöglicht. Wir wollen einmal ausprobieren, ob diese Regelung sich in den kommenden Messen bewährt.
Über Ihre Rückmeldungen dazu freut sich Ihr

Martin Filzmaier, Obmann

Dienstag, 1. November 2022, Allerheiligen:
Franz SCHUBERT – Messe in G-Dur, D 167 (1815)

Auf der Partitur der Messe ist das Datum der Komposition vermerkt, nämlich vom 2. bis 7. März 1815. Obwohl das Gloria tempo- und melodienreich und das Sanctus rhythmisch straff gefasst ist, kommt in der schlichten Einfachheit der Besetzung die wunderbare Harmonie dieser Messe – besonders im Kyrie und im Solistenterzett des Benedictus, vor allem aber im Agnus Dei, ganz besonders zum Vorschein. Dieser Messe wurden zunächst von Ferdinand Schubert Stimmen für 2 Trompeten und Pauken, später auch noch Oboen (oder Klarinetten) und Fagott hinzugefügt. Die melodische Schönheit der Komposition kommt aber in der schlichten Besetzung des Orchesters nur mit Streichern und Orgel am besten zur Geltung – siehe das Sopran-Solo im Kyrie, das Solo-Terzett im Benedictus und als Höhepunkt das aus 44 Takten bestehenden Agnus Dei.
Als Solisten hören Sie Monika Riedler, Alexander Kaimbacher und Markus Volpert.

 

Sonntag, 6. November 2022: W.A. MOZART – „Loretomesse“ (1777)

Die Missa brevis in B KV 275 hat Mozart im Jahr 1777 noch im Dienst des Salzburger Erzbischofs komponiert. Die Erstaufführung wird für den 4. Advent, 21. Dezember 1777 in St. Peter in Salzburg vermutet.
Kompositorisch ist sie von hohem Niveau und enthält vollkommen neue, expressive Ausdrucksformen, so im „Et incarnatus est“ des Credo oder zu Beginn des Gloria und des Agnus Dei.
Das Kyrie ist leicht beschwingt, kurz und knapp, auf einen eigenen Christe eleison-Teil wird verzichtet, er wird mit dem Kyrie eleison verwoben.
Das Gloria ist – wie üblich – ein rascher Satz, in dem die Domine-Anrufungen den Solisten vorbehalten bleiben. Textteile werden nur selten wiederholt.
Angesichts der Vorgaben des Fürst-Erzbischofs Colloredo gilt es auch beim Credo, große Textmengen in kurzer Zeit musikalisch zu bewältigen. Auch hier herrscht deswegen ein schnelles, durchlaufendes Grundtempo vor. Traditionell wird jedoch die Textpassage Et incarnatus deutlich verlangsamt und den Solisten überlassen. Der Chor nimmt das langsame Tempo dann im Crucifixus auf, bevor er im Et resurrexit zum heiter-beschwingten Allegro zurückkehrt.
Das Sanctus beginnt mit einem wundervoll ruhig-ausschwingenden Fugato, das allerdings kaum ausgeführt wird, den Abschluss bildet das rasche Hosanna.
Wie so häufig, bildet das Benedictus einen ruhigen Satz nur für Solisten, in diesem Fall ausschließlich für die Sopranistin, der mit der Wiederholung des Hosanna abschließt.
Das Agnus Dei ist nicht nur mit Abstand der längste Satz der Messe, sondern beginnt mit einer hochexpressiven, dramatischen Geste, die dann noch mehrmals wiederkehrt: geradezu einem Aufschrei des Chores, der nach dem Piano-Beginn unerwartet mitten im Takt hereinplatzt und mit dem Oktavsprung des Soprans und der gequälten Chromatik des Alts einen hochpathetischen Ton anschlägt, der neu in dieser Messe ist. Das mit 150 Takten extrem umfangreiche Dona nobis pacem überschreitet mit seiner Länge den Gattungsrahmen einer Missa brevis und ist, wie bei Mozart üblich, sehr heiter und den Solisten vorbehalten. An die Stelle des leichten Kehraus tritt ein gewichtiges Rondo-Finale, das ganz verhalten im Piano endet.                                           
(Stiftschor Bonn,
Autor: Judith Roßbach)

Als Solisten hören Sie Cornelia Horak, Eva-Maria Riedl, Alexander Kaimbacher und Yasushi Hirano.

 Sonntag, 13. November 2022: Joseph HAYDN – „Heiligmesse“ (1796)

Die Entstehung von Haydns sechs großen späten Messen steht in engem Zusammenhang mit der Wiederaufnahme des Dienstverhältnisses bei Fürst Nikolaus II. Eszterházy im Jahr 1795. Haydn verpflichtete sich damals nämlich, für den Namenstag der Fürstin Maria Josepha Hermenegild, der alljährlich im September an einem Sonntag rund um Mariä Namen (12. September) mit einem Festgottesdienst in der Eisenstädter Bergkirche begangen wurde, eine feierliche Messe zu komponieren. Als erste dieser Messen entstand 1796 die Missa Sancti Bernardi de Offida in B-Dur; Hob. XXII:10. Die „Heiligmesse“ wurde am 11. September 1796 in Eisenstadt uraufgeführt; sie ist dem Seligen Bernardo von Offida (1604-1694) gewidmet, einem italienischen Kapuzinermönch, der sich in der Krankenfürsorge sehr verdient gemacht hatte und der am 25. Mai 1795 seliggesprochen worden war. Der gängige Beiname „Heiligmesse“ rührt daher, dass Haydn im Sanctus die Melodie eines damals bekannten Kirchenliedes („Heilig, heilig, du bist allzeit heilig“) verwendet, allerdings dezent in den Mittelstimmen versteckt; der Komponist selbst macht darauf am Rande der Partitur aufmerksam.
Als „Prototyp“ der sechs späten Messen weist die Heiligmesse natürlich einige Besonderheiten auf. Am auffälligsten ist die Tatsache, dass Haydn das Solistenquartett nur in zwei – allerdings außergewöhnlich intensiven – Abschnitten verwendet (im „Gratias agimus tibi“ und im „Et incarnatus est – Crucifixus“, dort sogar zum Sextett erweitert (SSATBB)). Ungewöhnlich, aber weniger künstlerischen Gründen geschuldet als der notorischen Geldknappheit des Fürsten Eszterházy, ist der ursprünglich schmale Bläsersatz (Klarinetten nur sparsam einge­setzt, keine Hörner), den Haydn erst später zur klassischen Standardbesetzung erweiterte. Ganz vorbildlich für alle späteren Messe ist hingegen die formale Anlage des Werkes: Das Kyrie ist – prinzipiell einteilig (also kein separates „Christe eleison“), eventuell (wie hier) mit langsamer Einleitung – der Satz, der am meisten Elemente der Sonaten­hauptsatz­form aufnimmt und besitzt einen eher prächtigen als flehenden Charakter. Inter­essant ist in diesem Zusammenhang, dass gerade Kyrie und Gloria der Heiligmesse vielen Kritikern als zu weltlich-tanzartig und volkstümlich-derb erschienen! Im Gloria folgt nach dem anfänglichen Jubel ein Stimmungswechsel, hier mit einem ernsten, polyphonen „Gratias agimus tibi“ für die Solisten, dem ein dramatisches „Qui tollis“ für Chor folgt; die rasche Bewegung wird beim „Quoniam tu solus sanctus“ wieder aufgenommen und mündet in eine prachtvolle Doppelfuge. Entsprechend wird der lange Text des Credo zu drei Teilen gebündelt: Einem ausdrucksvollen Mittelteil, der die bedeutsamen Stellen von Christi Menschwerdung und Tod behandelt (hier, in Es-Dur, „Et incarnatus est“ für drei hohe Stimmen zu einer ätherischen Begleitung von Klarinetten und Fagott über hohen Streicherpizzicati, danach „Crucifixus“ für die drei tiefen Soli, durch Veränderung nur eines Tones der Harmonie nun in düsterem es-Moll), stehen zwei deklamatorische Außenteile gegenüber, die bei Haydn oft einen recht robusten, sehnigen Charakter haben. Auch das Credo schließt mit einer Fuge auf die Worte „et vitam venturi saeculi. Amen“.
Die folgenden, textlich kürzeren Teile, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei folgen ganz den liturgischen Voraussetzungen, wobei das Benedictus durch eine gewisse zeitliche Ausdeh­nung  Zeit für die liturgische Handlung (das stille Gebet nach der Wandlung) schaffen muss; im Haydns Messen ist es stets mit Sorgfalt komponiert, im Charakter bisweilen fröhlich, manchmal aber auch geradezu aggressiv; in der Heiligmesse ein eher entspannter, nichts­destoweniger ernster Satz, dem das zweite Hosanna ganz unauffällig angehängt ist.
Im Agnus Dei folgt, wie liturgisch vorgegeben, der dreimaligen Anrufung „Agnus Dei“ zweimal ein flehendes „miserere nobis“; erst beim dritten Mal antwortet ein optimistischeres „dona nobis pacem“, das bei Haydn oft eher die Vorfreude auf, als den errungenen Frieden besingt.
14 Jahre waren vergangen, als sich Haydn nach der „Mariazeller Messe“ (Hob. XXII:8) wieder der Messkompostion zuwandte. Mit der „Heiligmesse“ entwarf er ein Muster, auf das er sich bei seinen weiteren Werken in dieser Gattung stützen konnte; eine Wirkung auf die Mess­verto­nun­gen der folgenden Komponistengenerationen blieb freilich auf Haydns persönliches Umfeld beschränkt (Hummel, Beethoven). Das veränderte musikalisch-ästhetische als auch religiöse Empfinden des 19. Jahrhunderts propagierte eine Rückbesinnung und Orientierung auf einen an Palestrina angelehnten a-capella-Stil („Cäcilianismus“), wozu Haydns Kirchen­musik zwangsläufig wie ein Gegenentwurf wirken musste und bald nicht mehr dem Geschmack der Zeit entsprach.
(Mag. Patrick Maly, aus dem CD-Booklet, gekürzt)
Als Solisten musizieren mit uns: Cornelia Horak, Mari Nakayama, Gernot Heinrich u. Yasushi Hirano.

 Sonntag, 20. November 2022: Christkönigssonntag
Joseph HAYDN: Missa in tempore belli in C-Dur Hob. XXII:9 „Paukenmesse” (1796)

Nach der Übernahme der Regentschaft Fürst Nikolaus’ II. Esterházy 1794 erging dessen Bitte an Haydn, die 1790 aufgelöste Hofkapelle von Eisenstadt wieder aufzubauen. Haydns Verpflichtungen als Komponist sollten sich dabei darauf beschränken, alljährlich zum Namenstag (8. September) der Fürstin Maria Josepha Hermenegild eine neue Messe abzuliefern. Haydn kam dieser Verpflichtung in den Jahren 1796 bis 1802 (mit Ausnahme von 1800) mit der Komposition seiner sechs späten Messen nach.
Der Autograph der Missa in tempore belli ist, ebenso wie der der Heiligmesse Hob. XXII: 10, auf das Jahr 1796 datiert, weswegen die genaue Entstehungsreihenfolge nicht mehr mit letzter Sicherheit zu klären ist. Nach neuerem Stand der Forschung wird allgemein angenommen, dass zuerst die Heiligmesse 1796 aufgeführt wurde und die Paukenmesse als zweite der sechs Messen entstand.
Haydn selbst wählte den lateinischen Namen Missa in tempore belli aus, der daran erinnert, dass Napoléon Bonaparte damals im Ersten Koalitionskrieg, von Italien kommend, Wien bedrohte. Die Messe wird wegen der Pauken im Agnus Dei auch Paukenmesse genannt. Diese Paukenschläge sind ein verlangsamtes Abbild des französischen Armeepaukenwirbels mit charakteristischem ana­pästischem Rhythmus. Die eindrucksvolle Verbindung von kriegerischen Paukenklängen mit der Bitte um Frieden wurde ein Vierteljahrhundert später in ganz ähnlicher Weise von Ludwig van Beethoven in seiner Missa Solemnis gestaltet.
Die Messe wurde am 26. Dezember 1796 in der Piaristenkirche Maria Treu zu Wien uraufgeführt. Für die Wiener Aufführung fügte Haydn dem Orchester noch Flöten-, Klarinetten- und Hornstimmen hinzu, die in der Eisenstädter Kapelle nicht vorhanden waren. In Eisenstadt erklang die Messe dann erstmals am 29. September 1797.
Als Solisten hören Sie Cornelia Horak, Martina Steffl, Alexander Kaimbacher und Markus Volpert.