Mozart geht immer. Das wäre gleich einmal das Motto für die Loretomesse am 1. Sonntag im Juni. Mozart diesmal nicht in C-, sondern in B-Dur. Nikolaus Harnoncourt meinte einmal, Mozart habe kein einziges schlechtes Werk geschrieben. Aus musikalischer Sicht möchte ich das nicht kommentieren, denn dazu sind hunderte Bücher geschrieben, und tausende Statements abgegeben worden. Aus theologischer Sicht allerdings ist bei Mozart immer festliche, fröhliche, dem Anlass angemessene kirchliche Programmmusik – wenn auch auch auf höchstem Niveau – zu erwarten. Tiefe Auseinandersetzungen mit den Glaubensinhalten, oder gar ein Ringen um diese, wie wenige Jahrzehnte später etwa bei Schubert, sind bei Wolfgang Amadé nicht zu erwarten. Das ist nichts Schlechtes, aber doch ein ganz anderer spiritueller Zugang als etwa bei Joseph Haydn, dessen letzte Messe wir am Sonntag danach auf dem Programm haben. Die Messe ist von der Orchestrierung her aufwendiger als die anderen der „großen sechs“, vielleicht auch etwas mehr „sophisticated“ (manche meinen: sperriger – wobei sich mir diese Beurteilung nicht erschließt), und wird vermutlich daher etwas seltener aufgeführt als die populäreren, wie Theresienmesse, Paukenmesse oder Nelsonmesse. Es ist jedenfalls eine Messe, bei der es mich besonders schmerzt, nicht mitwirken zu können, weil „Rheingold“ und „Walküre“ in Basel mich davon abhalten. – Ein Quantum Trost wird mir aber durch die Messe am 4. Junisonntag zuteil.
Bruckners Messe in e-Moll haben wir vor der Pandemie zuletzt aufgeführt. Dies war so geglückt, dass wir daraus eine CD hergestellt haben. Die e-Moll-Messe ist immer ein Ereignis, dem alle anderen Verpflichtungen und Termine weichen müssen. Sie finden in diesem Newsletter eine kurze Werkbesprechung und im Anhang eine ausführlichere Einordnung von Wilhelm Sinkovicz aus einem Artikel („Der liebe Gott“) in der „Presse“ vom 20. April. Für die Messe am 23. Juni werde ich noch ein paar Worte für den in den Bänken aufliegenden „Sonntagszettel“ verfassen.
Freuen Sie sich mit mir auf die wunderbaren Hochämter im Juni!
Und der Chor freut sich zusätzlich noch auf Puccini in Lucca! Unsere erste Chorreise seit vielen Jahren führt uns an seine Geburts- und erste Wirkungsstätte in der Toskana, bzw. an die nahegelegene Accademia di Montegral, wo Gustav Kuhn mit uns eine eigens für diese Aufführung erstellte Fassung (ohne Orchester) erarbeitet und aufführt. – https://www.montegral.com/termine – Wir werden zu gegebener Zeit berichten.
Martin Filzmaier, Obmann
Sonntag, 2. Juni 2024: W.A. MOZART – Loretomesse, KV 275 (1777)
Diese Kurzmesse wird auch Marienmesse oder Loretomesse genannt. Alfred Einstein schreibt dazu: „Sie ist so intim, der Orchesterpart so bescheiden, so lyrisch, dass sie fast privaten Charakter hat.“ Vater Leopold schreibt dem Sohn nach Mannheim, dass seine B-Dur-Messe am 21. Dezember 1777 aufgeführt wurde, und der Kastrat Ceccarelli unvergleichlich gesungen habe. Die Messe wird auch als Votivmesse bezeichnet, die Mozart für den glücklichen Ausgang seiner großen Reise gelobt und geschrieben hat. Die kurze Aufführungsdauer wird u.a. durch Textüberschneidungen erreicht. In der Orchesterbesetzung, dem sogenannten „Kirchentrio“ (erste und zweite Violine und Bass) zeigt sich die Bescheidenheit und Intimität dieser sakralen Musik. Auf damals übliche Stützung der Chorstimmen durch 3 Posaunen wird auch bei uns nicht verzichtet.
(Text aus dem Internet, Autor unbekannt)
Solisten sind: Eva Maria Schmid, Eva-Maria Riedl, Franz Gürtelschmied, Markus Volpert
Zum Offertorium erklingt Kirchensonate in G-Dur, KV 274. von Mozart.
Im August 1777 hat der Konzertmeister W.A.Mozart um die Entlassung aus den Diensten der Salzburger Hofkapelle gebeten, weil er in der großen musikalischen Welt sein Glück suchen wollte. Eine Reise nach Paris sollte ihm das ermöglichen. Der Erzbischof nahm das Gesuch an und dekretierte, dass er sein „Glück weiter zu suchen die Erlaubniß“ habe. Zu den letzten Werken, die er damals für die Hofkapelle geschrieben hat, zählen die Kirchensonaten KV 274 und KV 278. Ferner wird vermutet, dass in der ersten Hälfte dieses Jahres auch noch eine Messe (KV 275) und ein kleineres Kirchenmusikwerk (KV 277 Offertorium) entstanden sind.
Eineinhalb Jahre später ersuchte Mozart um die Wiederaufnahme in die Salzburger Hofkapelle und wurde wieder als Hoforganist angestellt.
Aus „Mozart sakral“, 2006
Sonntag, 9. Juni 2024: Joseph HAYDN – „Harmoniemesse“ Hob. XXII:14 (1802)
Das Hauptgewicht des Schaffens von Joseph Haydn lag fast sein ganzes Leben lang auf dem Gebiet der Instrumentalmusik. Doch auch die Kirchenmusik war ein bedeutsames Arbeitsfeld, worauf eine Äußerung des bescheidenen Komponisten hinweist: „Auf meine Messen bin ich etwas stolz“.
Ab 1784 trat infolge der Josephinischen Verordnungen und Verbote eine 16-jährige kirchenmusikalische Pause in Haydns Schaffen ein. Im Kampf zwischen kirchlicher und staatlicher Souveränität griff der aufgeklärte Kaiser Joseph II. in die Gestaltung des Gottesdienstes ein und band die festliche, instrumental begleitete Liturgie stark zurück. Erst nach der Thronbesteigung von Franz II. im Jahr 1792 standen Haydn wieder die notwendigen musikalischen Mittel zur Verfügung, um sich erneut der Komposition von Messen zuzuwenden. Seine sechs späten Messen, die er nach seiner Rückkehr aus England zwischen 1796 und 1802 im jährlichen Rhythmus komponierte, waren die einzige Dienstverpflichtung als Kapellmeister bei Fürst Nikolaus II. von Esterházy. Sie dienten der Feier des Namenstages der Fürstin Maria Josepha Hermenegild.
Ihren Titel verdankt die von allen kirchlichen Werken Haydns am reichsten instrumentierte Messe ihrer üppigen Bläserbesetzung, der sogenannten „Harmoniemusik“. Haydn dürfte sich bei der Komposition bewusst gewesen sein, dass die Harmoniemesse sein letztes großes Werk werden würde; sie ist seine letzte vollendete Komposition überhaupt. So kann man in ihr einen würdevollen Abschied sehen, auch eine Rückschau, die in manchen Tonfällen, Strukturen, ja sogar einzelnen Themen frühere Werke zitiert und integriert. Doch das Werk ist nicht nur eine „Summa Missarum Josephi Haydn“, sondern auch ein Neuansatz. er fand auch jetzt noch neue Wege, erprobte, experimentierte und erweiterte seine Tonsprache.
Als Joseph Haydn im Jahr 1802 die Harmoniemesse komponierte, war er 70 Jahre alt und fühlte sich häufig krank und müde. In den Vorjahren hatte er seine Messen teilweise in knapp zwei Sommermonaten komponiert. Dieses Mal begann er bereits im Januar, und im Juni schrieb er an den Fürsten Esterházy: „In dessen bin ich an der Neuen Messe sehr mühsam fleissig, noch mehr aber forchtsam, ob ich noch einigen beyfall werde erhalten können.“
Eine verdichtete Expressivität – heftige Wechsel von laut und leise, Ruhe und Bewegung, Dur und Moll – prägt den Aufbau der Komposition. Symbolische, teils drastisch prägnante Textdeutung durchdringt die musikalischen Abläufe, und der Klangfarbenreichtum der großen Bläserbesetzung wird meisterhaft eingesetzt. Vor allem aber ist es die Harmonik, die verstärkt mit Dissonanzen, chromatischen Wendungen und Modulationen in weit entfernte Tonarten arbeitet und der Messe ihre ans Romantische grenzende Färbung gibt. Dieses moderne Element ist dabei völlig verschmolzen mit der Bewahrung der barocken Züge, wie etwa der polyphonen Stimmführung: Die Schlussfugen vom Gloria und Credo gehören zu den grandiosesten Sätzen solcher Art überhaupt, sie sind die goldene Ernte der europäischen kontrapunktischen Tradition.
Eine ganz neue Art von Kyrie hat Haydn im Eröffnungssatz entworfen: ein einteiliger breit ausgeführter Adagio-Satz, im Kern komplex instrumental konzipiert, in den die Vokalstimmen wirkungsvoll eingebaut sind. Dieses riesige sinfonische Adagio breitet das in der instrumentalen Einleitung vorgestellte Ausdrucksspektrum von Messen von der erhabenen über die lyrische zur verzweifelten Anrufung in immer neuen Nuancierungen aus.
Noch verblüffender im Vergleich zu allen anderen Haydnschen Vertonungen ist das Benedictus: keine ergreifende, langsame Sopran-Arie, sondern ein aufgeregter Molto-Allegro-Chorsatz.
Die Messe wurde am 8. September 1802, zum Namenstag der Fürstin Esterházy, in der Bergkirche zu Eisenstadt uraufgeführt.
Besetzung: Soli, Chor, Streicher, Flöte, 2 Oboen, Klarinetten, Fagotte, Hörner, Trompeten, Pauken und Orgel.
Quellenangabe: Berner Kammerchor, Folco Galli
Als Solisten wirken mit: Eva Maria Schmid, Martina Steffl, Gernot Heinrich, Yasushi Hirano
Sonntag, 23. Juni 2024: Anton BRUCKNER – Messe Nr. 2 e-Moll (1866)
für achtstimmigen gemischten Chor und Blasorchester (WAB 27).
Anton Bruckner (geboren am 4. Sept. 1824 in Ansfelden bei Linz – gestorben am 11. Okt. 1896 in Wien) komponierte die Messe e-Moll (1866-82) zur Einweihung der Votivkapelle des neuen Linzer „Empfängnis-Domes“. Da der Dom noch nicht fertiggestellt war, musste die Aufführung im Freien stattfinden. Bruckner verzichtete daher auf Orgel und Streicher und setzte stattdessen Blasinstrumente ein.
Die e-Moll-Messe fußt stark auf altkirchlicher Musiktradition. Die Thematik beruht auf den Intonationen des Gregorianischen Gesangs, die häufige Verwendung der Kirchentonarten, ostinater Bässe zeigt deutlich die starken Bindungen zur Liturgie, wie sie Meister der A-cappella-Zeit vertraten. Das Orchester verzichtet auf die Streicher, meist werden nur wenige Bläserstimmen zur Begleitung herangezogen oder fallen auch ganz fort.
Bruckner komponierte in seinem Leben mehrere geistliche Werke, unter diesen befinden sich auch einige Messen, von denen drei nummeriert werden: d-Moll (Nr. 1), e-Moll (Nr. 2) und f-Moll (Nr. 3).
Die Messe in e-Moll entstand im Jahr 1866, zu einer Zeit, da Bruckner die Enttäuschung einer stillen Liebe zu einem jungen Mädchen, das seinen Heiratsantrag ausgeschlagen hatte, zu überwinden suchte.
Das Kyrie fast durchweg a-cappella gehalten, als klangliche Unterstützung treten lediglich in den leuchtenden Fortissimostellen Hörner und Posaunen hinzu. Kyrie, Sanctus sowie das abschließende Agnus Dei sind auf achtstimmigen Chor gestellt, Solisten sind in der e- moll- Messe nicht vorgesehen.
Geheimnisvoll entrückt setzt das Kyrie eleison (Herr, erbarme Dich) in den Frauenstimmen ein; stufenartig, orgelmäßig steigert es sich schnell zum Forte und Fortissimo, wobei erstmalig die Hörnerstützen einsetzen. Die Männerstimmen wiederholen das Kyrie und leiten zum Christe eleison (Christ, erbarme Dich) über, das zart figurierend wiederum zuerst vom Frauenchor vorgetragen, gleich darauf von allen Stimmen aufgegriffen, zu gewaltiger Steigerung geführt wird. Das abschließende Kyrie verhallt in völliger Entrückung a-cappella.
Kraftvoll in der Deklamation sind die beiden dramatischen Hauptsätze Gloria und Credo gehalten. Piano im Kirchenton beginnen unisono die Frauenstimmen das Gloria „et in terra pax“ (und Friede auf Erden), um gleich darauf mit dem „Laudamus te“ (Wir loben Dich) in strahlendes Fortissimo auszubrechen. Den Mittelteil beherrscht das innig zarte „Qui tollis peccata mundi“ Der Du trägst die Sünden der Welt“). Mit dem „Quoniam tu solus sanctus“ (Denn Du allein bist heilig) wird das Anfangsthema wieder aufgegriffen, ist somit die Reprise erreicht. Den großen Abschluss des Satzes bildet eine kunstvolle Fuge über das Amen, zuerst mit zwei Themen angesetzt; im weiteren Verlauf wird aber das Gegenthema fallengelassen, das chromatische Hauptthema durch Engführung und Umkehrung in seiner Bedeutung gesteigert bis zu dem hymnisch-homophonen Höhepunkt.
Das Credo ist noch überzeugter auf den Kirchenton gestellt. Das eintaktige Thema wird jeweils von den Bläsern, ebenfalls unisono, wiederholt, wodurch der ostinate Charakter des Satzes eindrucksvoll unterstrichen wird. Der ostinate Rhythmus, der mit dem ersten Takt des Credo einsetzt, beherrscht vollkommen den Hauptteil sowie den Wiederholungsteil, der mit den Worten „et in Spiritum sanctum“ (und an den Heiligen Geist) die Anfangsstimmung wieder aufgreift. Der Mittelteil bringt zunächst a-cappella im geheimnisvollen Adagio das „et incarnatus est de Spiritu sancto“ (und empfangen vom Heiligen Geist) bis zum verhauchten „sepultus est“ (begraben ist), dem das strahlende Allegro des „et resurrexit“ (und auferstanden) folgt. Der Höhepunkt des Mittelteils wird mit dem leidenschaftlichen Unisono des „iudicare“ (zu richten) erreicht, das wie in machtvollen Hammerschlägen erdröhnt.
Dem stahlenden Glanz des Sanctus ist die stille Gläubigkeit des Benedictus gegenübergestellt.
Ergreifend schön sind die unisono Choreinsätze im Agnus Dei (Lamm Gottes), denen jeweils ein Thema in den Holzbläsern beigegeben ist, das wie eine flehende Gebärde emporstrebt. Nach dem verzweifelten Aufschrei „miserere nobis“ (erbarme Dich unser) verklingt die Messe mit dem Gebet um Frieden „dona nobis pacem“, das die Anfangsstimmung des Kyrie, auch in thematischen Wendungen, wieder aufgreift.
(anton-bruckner.heimat.eu/e-moll-messe.htm)
Zum Offertorium: Andante in Des Dur für 4 Hörner von Anton Bruckner.
HINWEIS:
Sonntag, 30. Juni 2024: Giacomo PUCCINI – Messa di Gloria
für zwei Klaviere (Adaption Accademia di Montegral) mit der Chorvereinigung St. Augustin und Chor Stereotipi unter der Leitung von Maestro Gustav Kuhn
um 19:00 Uhr in der Kirche des Convento dell’Angelo nahe Lucca, Italien.