Newsletter Jänner 2025

 

Am Ende des für uns sehr dicht gepackten Advents mit der Wiederaufnahme von Bruckners d-Moll-Messe und der Neueinstudierung von Michael Haydns Hieronymus-Messe war es dem Vorstand der Chorvereinigung ein Anliegen, nach vielen Jahren wieder ein Adventkonzert zu veranstalten. Ein solches Konzert besteht üblicherweise aus einer Aneinanderreihung von Adventliedern und sonstigen zur Jahreszeit irgendwie passenden, pastorale Gefühle verbreitenden Werken. Diese Erwartung, mit der viele Besucherinnen und Besucher gekommen waren, haben wir ein wenig enttäuscht. Die Programmierung dieses Konzerts war zu einem guten Teil der Bereitschaft von Johannes Silberschneider geschuldet, diesen Abend mit uns zu gestalten. Dieser aus Film und Fernsehen wohlbekannte Schauspieler ist nicht nur ein Meister seines Faches, sondern ein faszinierender, höchst bescheidener und tief gläubiger Mensch, der für diesen Anlass eine Reihe von Texten vorbereitet hat, um die herum wir gemeinsam mit der Organistin Zuzanna Mika und unter dem Dirigat von Thomas Böttcher die musikalische Gestaltung programmiert haben. Wer oben Beschriebenes erwartet hatte, war ein wenig enttäuscht; doch erhielten wir überwiegend begeisterte Rückmeldungen über einen wunderbaren Abend, und auch viele Nachfragen nach den gelesenen Texten. Auch der Chor war – ungewohnt – zu zwei Dritteln des Abends Publikum, doch ebenso angetan wie die meisten anderen.

Seit die Chorvereinigung die Mitternachtsmette am hl. Abend nicht mehr gestaltet, ergeben sich für uns echte Weihnachtsferien, die erst mit der Krönungsmesse am Dreikönigstag enden. Bei dieser Gelegenheit – der einzigen in der Weihnachtszeit, übrigens – kommt auch am Ende des Hochamtes wieder unsere vierstimmige Fassung des „Stille Nacht“ zur Aufführung.

Die am Sonntag darauffolgende Dominicusmesse haben wir zuletzt am 15. Jänner 2017 gesungen. Dieses festliche Werk des 13-jährigen Amadé Mozart würde wahrlich verdienen, öfter auf dem Programm zu stehen. – Wir arbeiten daran…

Und Haydns Heiligmesse schließlich, die erste der „großen 6“, singen wir am 26. Jänner. Wenn es überhaupt einen erfreulichen Aspekt der Klimakrise gibt, dann den, dass das Weihwasser in der Kirche im Jänner (zumindest in den letzten Jahren) nicht mehr einfriert, und dass die Streicher – die bei uns wegen der Kälte wahrlich Kummer (und klamme Finger) gewohnt sind! – sich ein klein wenig leichter tun, wenn sie so viel zu tun bekommen wie bei den großen Haydn-Messen.

Abschließend wieder einmal ein Appell: Ich weiß, dass unser dichtes und anspruchsvolles Programm Sängerinnen und Sänger abschrecken kann, die sich ansonsten vielleicht zutrauen würden, unseren Chor zu verstärken. Ich aber sage Euch: Fürchtet euch nicht! Wir brauchen dringend gute Sängerinnen und – in letzter Zeit vor allem: Sänger! Außerdem (der Chorleiter soll jetzt nicht weiterlesen): Man muss am Ende ja auch nicht immer dabei sein. Je mehr wir wieder sind, desto leichter ist es, sich auch einmal das eine oder andere Hochamt freizunehmen. Wenn Sie also vielleicht schon Chorerfahrung haben, oder auch einfach nur gut singen können, zögern Sie nicht und nehmen Sie mit uns Kontakt auf! – Das wäre doch einmal ein wirklich guter Neujahrsvorsatz – meint…

Ihr Martin Filzmaier, Obmann

 

Montag, 6. Jänner 2025, 10:30 Uhr: Dreikönigstag

W. A. MOZART – „Krönungsmesse“ Missa solemnis in C-Dur KV 317

In der geistlichen Musik Mozarts ist C-Dur die Tonart von immerhin vier größeren Werken, die 1779/80 in Salzburg entstanden – alle nach dortiger Tradition mit gewaltigem Blechbläserapparat orchestriert (im Extremfall drei Posaunen, zwei Hörner und zwei Trompeten). Dazu gehören zwei Vespervertonungen, die Vesperae de Dominica (KV 321) und, berühmter noch, die Vesperae solennes de confessore (KV 339).

Die anderen beiden Werke dieser großen C-Dur-Tradition sind zwei Messen – die „Krönungsmesse“ (KV 317), vermutlich so genannt,und die Missa solemnis KV 337.

Die „Krönungsmesse“, Mozarts populärstes Werk dieser Gattung, ist einerseits kraftvoll wie ein symphonisches Werk (das Credo lebt hauptsächlich vom punktierten Rhythmus im 4/4-Takt), andererseits auch wieder rührend zart (so im Agnus Dei, das ein großartiges Solo für Maria-Magdalena Haydn, Michael Haydns Frau, die offensichtlich eine bedeutende Sängerin war und für die Mozart immer hinreißende Musik komponierte, enthält; hier ist auf ganz unheimliche Art das „Porgi amor“ aus Le Nozze di Figaro vorweggenommen).

(Zitiert aus: H. C. Robbins Landon „Mozart – Die Wiener Jahre 1781-1791)

Die Solisten sind Ursula Langmayr, Martina Steffl, Alexander Kaimbacher und Yasushi Hirano

Zum Offertorium singt der Chor „Ich steh an deiner Krippen hier“ von J. S. Bach.

 

 

 

Sonntag, 12. Jänner 2025, 10:30 Uhr:

 

W. A. MOZART: Missa solemnis in C-Dur – „Dominicusmesse“ KV 66

Das altehrwürdige Benediktinerstift St. Peter in Salzburg war freundlich und aufgeschlossen, bürgernah und von einer Frömmigkeit, die eher zu Weltoffenheit, denn zu mönchischer Abgeschiedenheit neigte. So bildete jedenfalls das Kloster eine Art Gegenpol zum erzbischöflichen Hof. Bei aller Prachtentfaltung war dessen steifes Zeremoniell nicht jedermanns Sache, namentlich nicht für die Musiker, die, bestenfalls an die Dienstbotentafel verbannt, eher die Erwerbsquelle zur Sicherung ihrer Existenz im Auge hatten und weniger die Heimstätte, die ihnen wiederum das Kloster bot.

Vater Leopold Mozart zählte seit langem die Patres zu seinen Freunden und so beeilte er sich auch, von London aus seinem Hausherrn in der Getreidegasse, Lorenz Hagenauer, seine Glückwünsche zu übermitteln, nachdem dieser ihm mitgeteilt hatte, dass sein Sohn Cajetan als Novize ins Kloster St. Peter eingetreten wäre.

Bei der Priesterweihe Cajetans, nunmehr Pater Dominicus, schrieb der junge Mozart (13-jährig) eine feierliche Messe in C-Dur, die sein Freund nach seiner Priesterweihe am 15. Oktober 1769 zelebrierte: in großer Besetzung für vier Singstimmen, solistisch und chorisch, Streichern mit den sonst in Salzburg unüblichen Bratschen, Trompeten, Hörnern und Pauken – ein Aufgebot, so recht dem festlichen Anlass entsprechend. Zu dieser feierlichen Primiz-Messe konnte Mozart es sich leisten, auf die sonst verpönte Kantatenform zurückzugreifen, da das Werk nicht im Salzburger Dom, sondern in der Erzabtei St. Peter aufgeführt wurde. Die Abtei St. Peter unterstand nicht dem Salzburger Fürstbischof.

„Herzlicher und persönlicher“ als die „Waisenhaus-Messe“ sei die Messe für Pater Dominicus gewesen, heißt es, nicht überraschend bei dem vertrauten Hintergrund. Aber es wird auch Anstoß genommen an dem Dreivierteltakt des Sopran- und Tenorsolos, der im Kyrie als unpassend beanstandet wird, von anderen allerdings auch entschuldigt: „Die walzerartige Begleitung“, lesen wir in einer Betrachtung von heute, „kennzeichnet die familiäre unbeschwerte Haltung der Primizmesse, die als Ausdruck der fröhlichen Freundschaft des jungen Paters und der Erinnerung an Jugendspiele gelten mag.“ (K.G.Fellerer „Die Kirchenmusik Mozarts“, Laaber 1985)

Aufs Neue beeindrucken das ergreifende Quartett des „Incarnatus est“, in dessen „Ex Maria Virgine“ Mozarts zu allen Zeiten tief empfundene Marienverehrung anklingt. Und wieder setzen im Credo „Crucifixus“ und „Et resurrexit“ dramatische Höhepunkte, bei denen es schier unbegreiflich erscheint, wie intensiv der dreizehnjährige Mozart Kreuzigung und Auferstehung „erspürt“ hat.

Da erstaunt es schon, wie zwiespältig der damalige Abt Beda Seeauer die glanzvolle Primizfeier gesehen hat. In seinem lateinisch geführten Tagebuch äußert er sich ausgesprochen kritisch. Den Namen Mozart erwähnt er nicht und bequemt sich nur dazu, von einer „splendissima et artificiosa musica“ („glänzenden und kunstvollen Musik“) zu sprechen. Pater Dominicus hingegen berichtet voll Stolz vom festlichen Charakter seiner Primizfeier, von den „herrlichen musikalischen Darbietungen“ seines jungen Freundes Mozart und, im Gegensatz zum Abt, von reichen Opfergaben der Gäste. Anerkennend vermerkt er, dass Mozart nicht nur das umfangreiche Werk dirigierte – schon das eine unerhörte körperliche Anstrengung -, sondern anschließend noch eine gute Stunde auf der Barockorgel des Stifts improvisierte, zum „höchsten Erstaunen der geladenen Gäste“.

(Zitiert aus: Heinz Gärtner „Mozart und der liebe Gott“ Langen Müller Verlag, 1997)

Als Solisten musizieren mit uns: Miriam Kutrowatz, Eva Maria Riedl, Daniel Johannsen, Stefan Zenkl

 

Sonntag, 26. Jänner 2025, 10:30 Uhr:

Joseph HAYDN – „Heiligmesse“ (Messe in B-Dur; Hob. XXII:10

Die Entstehung von Haydns sechs großen späten Messen steht in engem Zusammenhang mit der Wiederaufnahme des Dienstverhältnisses bei Fürst Nikolaus II. Esterházy im Jahr 1795. Haydn verpflichtete sich damals nämlich, für den Namenstag der Fürstin Maria Josepha Hermenegild, der alljährlich im September an einem Sonntag rund um Mariä Namen (12. September) mit einem Festgottesdienst in der Eisenstädter Bergkirche begangen wurde, eine feierliche Messe zu komponieren. Als erste dieser Messen entstand 1796 die Missa Sancti Bernardi de Offida (Heiligmesse B-Dur; Hob. XXII:10). Die Messe für den Namenstag der Fürstin 1797 schrieb Johann Nepomuk Fuchs, der regens chori der Eisenstädter Stadtpfarrkirche und de-facto-Vizekapellmeister, doch wurde „außer Konkurrenz“ am 29. September Haydns Paukenmesse, die ursprünglich anlässlich einer Primiz in der Wiener Piaristenkirche im Dezember 1796 geschrieben worden war, aufgeführt. 1798 komponierte Haydn die Nelsonmesse, sodann im Jahr 1799 die Theresienmesse; im Jahr 1800 entstand keine Messe für die Fürstin Esterházy, ohne dass ein definitiver Grund dafür bekannt wäre – denkbar sind gesundheitliche Probleme Haydns oder die allgemeine schlechte wirtschaftliche Lage während der Franzosenkriege; es folgten 1801 die Schöpfungsmesse und 1802, als Haydns letzte Messe und letzte vollendete Komposition überhaupt, die Harmoniemesse.

Die Heiligmesse wurde am 11. September 1796 in Eisenstadt uraufgeführt; sie ist dem Seligen Bernardo von Offida (1604-1694) gewidmet, einem italienischen Kapuzinermönch, der sich in der Krankenfürsorge sehr verdient gemacht hatte und der am 25. Mai 1795 seliggesprochen worden war. Der gängige Beiname „Heiligmesse“ rührt daher, dass Haydn im Sanctus die Melodie eines damals bekannten Kirchenliedes („Heilig, heilig, du bist allzeit heilig“) verwendet, allerdings dezent in den Mittelstimmen versteckt; der Komponist selbst macht darauf am Rande der Partitur aufmerksam.

Haydns späte sechs Messen verbindet nicht nur der Entstehungsanlass; sie weisen eine Reihe gemeinsamer Merkmale auf, wodurch sich diese Messen als ein stilistisch recht einheitlicher Zyklus von Haydns früheren Werken dieser Gattung gut abgrenzen lassen. Der Komponist verabschiedet sich endgültig von einem starren Wechsel von Chören und Solonummern; stattdessen werden Soli und Chor in differenzierter und geistreicher Weise miteinander kombiniert; dabei tritt an die Stelle des einzelnen Solisten das Solistenquartett, das dem Chor als gleichberechtigter Partner gegenübergestellt wird. Gleichzeitig kommt es auch zu einer Aufwertung des Instrumentalparts: Die Besetzung wird insgesamt reicher und gleichzeitig differenzierter eingesetzt. Haydn übernimmt außerdem Techniken und Formen, die er selbst in Instrumentalwerken mitentwickelt hatte und wendet sie in einem großangelegten Vokalwerk an: Immer wieder finden sich etwa Elemente des Sonatenhauptsatzes, gleichzeitig wendet Haydn auch das Prinzip der motivisch-thematischen Arbeit an und kombiniert es mit tradierten Formen, wie Fuge, Kanon oder Ritornellform.

Als „Prototyp“ dieser Serie weist die Heiligmesse natürlich einige Besonderheiten auf; am auffälligsten ist die Tatsache, dass Haydn das Solistenquartett nur in zwei – allerdings außergewöhnlich intensiven – Abschnitten verwendet (im „Gratias agimus tibi“ und im „Et incarnatus est…Crucifixus“, dort sogar zum Sextett erweitert (SSATBB)). Ungewöhnlich, aber weniger künstlerischen Gründen geschuldet als der notorischen Geldknappheit des Fürsten Esterházy, ist der ursprünglich schmale Blä­sersatz (Klarinetten nur sparsam eingesetzt, keine Hörner), den Haydn erst später zur klassischen Standardbesetzung erweiterte. Ganz vorbildlich für alle späteren Messe ist hingegen die formale Anlage des Werkes: Das Kyrie ist – prinzipiell einteilig (also kein separates Christe eleison), eventuell (wie hier) mit langsamer Einleitung – der Satz, der am meisten Elemente der Sonatenhauptsatzform aufnimmt und besitzt einen eher prächtigen als flehenden Charakter. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass gerade Kyrie und Gloria der Heiligmesse vielen Kritikern als zu weltlich-tanzartig und volkstümlich-derb erschienen. Im Gloria folgt nach dem anfänglichen Jubel ein Stimmungswechsel, hier mit einem ernsten, polyphonen „Gratias agimus tibi“ für die Solisten, dem ein dramatisches „Qui tollis“ für Chor folgt; die rasche Bewegung wird beim „Quoniam tu solus sanctus“ wieder aufgenommen und mündet in eine prachtvolle Doppelfuge. Entsprechend wird der lange Text des Credo zu drei Teilen gebündelt: Einem ausdrucksvollen Mittelteil, der die bedeutsamen Stellen von Christi Menschwerdung und Tod behandelt (hier „Et incarnatus est“ für drei hohe Stimmen zu einer ätherischen Begleitung von Klarinetten und Fagott über hohen Streicherpizzicati, danach „Crucifixus“ für die drei tiefen Soli, in düsterem es-Moll beginnend), stehen zwei deklamatorische Außenteile gegenüber, die bei Haydn oft einen recht robusten, sehnigen Charakter haben. Auch das Credo schließt mit einer Fuge auf die Worte „et vitam venturi saeculi. Amen“.

Die folgenden, textlich kürzeren Teile, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei folgen ganz den liturgischen Voraussetzungen, wobei das Benedictus durch eine gewisse zeitliche Ausdehnung  Zeit für die liturgische Handlung (das stille Gebet nach der Wandlung) schaffen muss; im Haydns Messen ist es stets mit Sorgfalt komponiert, im Charakter bisweilen fröhlich, manchmal aber auch geradezu aggressiv; in der Heiligmesse ein eher entspannter, nichtsdestoweniger ernster Satz, dem das zweite Hosanna ganz unauffällig angehängt ist.

Im Agnus Dei folgt, wie liturgisch vorgegeben, der dreimaligen Anrufung „Agnus Dei“ zweimal ein flehendes „miserere nobis“; erst beim dritten Mal antwortet ein optimistischeres „dona nobis pacem“, das bei Haydn oft eher die Vorfreude auf, als den errungenen Frieden besingt.

14 Jahre waren vergangen, als sich Haydn nach der Mariazeller Messe (Hob. XXII:8) wieder der Messkompostion zuwandte; mit der Heiligmesse entwarf er ein Muster, auf das er sich bei seinen weiteren Werken in dieser Gattung stützen konnte; eine Wirkung auf die Messvertonungen der folgenden Komponistengenerationen blieb freilich auf Haydns persönliches Umfeld beschränkt (Hummel, Beethoven). Das veränderte musikalisch-ästhetische als auch religiöse Empfinden des 19. Jahrhunderts propagierte eine Rückbesinnung und Orientierung auf einen an Palestrina angelehnten a-capella-Stil („Cäcilianismus“), wozu Haydns Kirchenmusik zwangsläufig wie ein Gegenentwurf wirken musste.

(Mag. Patrick Maly im Booklet unserer CD)

 

Als Solisten wirken mit: Ursula Langmayr, Martina Steffl, Hiroshi Amako und Markus Volpert