Wenn dieser Newsletter versendet wird, befinden wir uns bereits mitten im Advent. Und sofern nicht sehr unerwartet die Pandemie uns wieder zu Einschränkungen zwingt, wird die Weihnachtszeit gefeiert werden können wie von früher gewohnt. Doch: „wie von früher gewohnt“ ist in diesem Advent trotzdem nichts mehr. Wir haben eine „militärische Spezialoperation“, die die halbe Welt in den Ausnahmezustand versetzt. Ausnahmezustand sind wir gewohnt, doch dass in der Nachbarschaft Menschen in Kellern und Bunkern Zuflucht vor Bombardierungen suchen müssen, dass dort Licht und Wärme – Selbstverständlichkeiten für uns – in einem grimmigen Winter plötzlich einfach nicht mehr verfügbar sind – das kennt nur noch die Generation, die den Krieg und die Nachkriegszeit hier bei uns erlebt hat. Ausnahmezustand sind wir gewohnt – und unsere Selbstverständlichkeit, gegen unliebsame Maßnahmen auf die Straße gehen zu können, lautstark seinen Protest kundgeben zu können, ist für Menschen in weiten Teilen der Welt ein Risiko, Freiheit, Gesundheit oder gar das Leben zu verlieren. Ausnahmezustand sind viele von uns gewohnt, doch dass nun auch Menschen, die sich nicht vorstellen konnten, dass das jemals auch sie betreffen könnte, überlegen müssen, wie stark sie einheizen und wofür sie ihr Geld ausgeben, macht bewusst, dass wir an einer Zeitenwende angelangt sind. „Zeitenwende“, ein großes Wort – doch wie sonst könnte man diese gleichzeitige Zusammenballung von Krisen treffend bezeichnen? – Oder meint wirklich jemand, es werde sich nach und nach schon wieder alles irgendwie fügen – und dann wäre alles wieder so wie vorher?
Und die Chorvereinigung? Die Chorvereinigung macht Kirchenmusik. So als wäre nichts. Singt so schön wie gewohnt, erzeugt prächtigen Klang, und all das trotz einer der größten Krisensituationen seit Menschengedenken. Oder: wegen eben dieser Situation? Wem wäre gedient, wenn die Musik, eine der letzten Bastionen von Schönheit, Hoffnung und Zuversicht, schwiege? Noch hat niemand sich am Orgelpositiv festgeklebt, niemand den Dirigenten mit Erdäpfelpüree beworfen; die Verzweiflung ist noch nicht grenzenlos. Noch können wir singen, als wäre nichts.
Singen im Advent, der uns daran erinnert, dass wir schlussendlich nicht aus eigener Kraft und Genialität aus dieser Bedrängnis herausfinden werden. Wir warten auf den, der da kommen wird. Tauet, Himmel, den Gerechten…
Advent – die stillste Zeit im Jahr? Wer wollte uns das glauben machen? Advent: die Zeit von Schrecken und Bedrängnis, die aber ein Ziel hat! Wo sprechen die Lesungen und das Evangelium dieser Zeit von „Stille“ und „Besinnlichkeit“? Das Ende der Tage, die Ankunft, Wiederkunft des Herrn: das ist ganz sicher keine stille und besinnliche Zeit.
Und die Chorvereinigung singt, als wäre nichts. Nicht aber zu Weihnachten. Dass wir die Vielen so liebgewordene Mitternachtsmette nicht mehr musikalisch gestalten, ist nicht den Auswirkungen der Pandemie geschuldet. Der Grund ist viel profaner. Wir können sie uns einfach nicht mehr leisten. Vanillekipferl als Zahlungsmittel haben sich nicht als nachhaltig bewährt, Musiker:innen-Honorare sind in der Weihnacht noch dazu wesentlich höher als sonst, und die Spendenbereitschaft an der Kirchentüre weicht konsequent der nächtlichen Weihnachtsstimmung und Feierseligkeit. Beides zusammengenommen, geht sich für uns schlicht nicht mehr aus.
Jetzt muss ich mich am Ende für diese wirren Adventgedanken entschuldigen. Kein Wort über die wunderbaren Haydn-Messen, die wir im November gesungen haben, kein Wort über die Werke der kommenden Wochen. Stattdessen Gedanken, die – wenn überhaupt – in die Predigt gehören, nicht in einen Newsletter. Haben Sie also bitte adventliche Nachsicht mit
Ihrem
Martin Filzmaier, Obmann
2.Adventsonntag, 4. Dez. 2022, 10:30 Uhr
Antonio LOTTI (1666-1740) Missa in C
Mozart1767fürHPAntonio Lotti, geboren 1666 vermutlich in Venedig, wirkte vorerst als Sänger und Organist in San Marco. Nach einem Aufenthalt in Dresden 1717-1720, wo er drei Opern zur Aufführung brachte, widmete er sich – nach Venedig zurückgekehrt – ausschließlich der Kirchenmusik. Im Gegensatz zu seinen Opern, die sich bereits der Neapolitanischen Schule zuwenden, ist seine Kirchenmusik im „stile antico“ seiner Vorgänger gehalten, wenngleich Harmonik und Melodik bereits dem damaligen Zeitstil angepasst wurden.
Viele seiner Messen und geistlichen Chorwerke wurden schon zu Lebzeiten des Komponisten an den Höfen in Dresden und Wien aufgeführt. Sein bedeutender Beitrag zur Kirchenmusik hat den Namen Antonio Lotti bis in unsere Zeit erhalten.
Text: Anton Reinthaler, aus dem Vorwort zur Partitur, Herbst 1998 Continue Reading