NEWSLETTER November 2017
Liebe Freunde der Kirchenmusik!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Waren schon der September und Oktober reich an Höhepunkten, stehen im November weitere großartige Werke der Kirchenmusik auf unserem Programm, die Sie nicht versäumen sollten: Die Messe in D-Dur von Antonín Dvořák und die „Orgelsolomesse“ von Mozart.
Vor der Adventszeit folgt der absolute Höhepunkt mit zwei Messen von Anton Bruckner: für das Hochamt am 19. November wird derzeit die Messe in d-Moll zum ersten Mal unter Andreas Pixner einstudiert (sie wurde zuletzt am 13. Mai 2004 unter Herbert Ortmayr konzertant aufgeführt). Gleich am Sonntag danach gestalten wir das Hochamt mit Bruckners Messe in f-Moll. Diese beiden Messen zählen zweifelsohne zu den „Seven Summits“ der Kirchenmusik!
„Pflichttermine“ für die große sonntägliche Gemeinde in der Jesuitenkirche!
Hartwig Frankl, Obmann
Mittwoch, 1. November 2017, Allerheiligen: Antonín Dvořák, Messe in D-Dur op. 86
Bis in Antonín Dvořáks (geboren: 8. September 1841, Nelahozeves, Tschechien, gestorben: 1. Mai 1904, Prag ) späte Zeit gehören Kirchenwerke zu seinen bedeutenden Schöpfungen: das Stabat Mater op. 58 (1876/77), das Requiem op. 89 (1890) und das Te Deum op. 103 (1892). Die Messe D-Dur nimmt eine Sonderstellung innerhalb der Kirchenmusik Dvořáks ein. Formal durchaus groß angelegt, war sie doch in der Originalbesetzung für eher bescheidene Verhältnisse gedacht. Und dies aufgrund ihrer Bestimmung: Der kunstsinnige Prager Architekt Josef Hlávka bat den von ihm hochgeachteten Dvořák um eine Messkomposition zur Einweihung der Kapelle auf seinem Gut in Lužany in Südwestböhmen. Dvořák nahm den Auftrag an und komponierte die Messe zwischen dem 26. März und 17. Juni 1887.
Die Uraufführung der Messe am 11. November 1887 in der Gutskapelle leitete der Komponist selbst, die Frau seines Auftraggebers – wie auch Dvořáks Frau Anna – wirkte als Gesangssolistin mit. Die erste öffentliche Aufführung fand zwei Jahre später in Pilsen statt. Auf Drängen des englischen Musikverlags Novello orchestrierte Dvořák den Orgelpart 1892, Vokalsatz und musikalische Substanz blieben davon unberührt. Diese Fassung hören Sie bei uns.
Dvořáks Messe ist „ein in seiner Art einmaliges Meisterwerk der Spätromantik“ genannt worden; doch auch von ihrer Schlichtheit, religiöser Naivität und gleichzeitigen liturgischen Maßlosigkeit ist gesprochen worden. Beide Blickwinkel werden dem Werk wohl nicht gerecht. Dvořák schrieb die Messe, wie er in einem Brief an den Auftraggeber sagt, als sein persönliches Zeugnis von „Glaube, Hoffnung und Liebe zu Gott“, und er schrieb sie „zur Ehre unserer Kunst“. Diesem hohen doppelten Anspruch wird das Werk, ohne jede Anmaßung, gerecht. Mit seinen originellen, im Melos manchmal volkstümlich bzw. volksliedhaft geprägten Gedanken und seinem harmonischen Reichtum stellt es sich in den liturgischen Dienst einer Gottesverehrung, die eher von lyrischer Meditation als von dramatischer Unmittelbarkeit gekennzeichnet ist.
Als Solisten hören Sie Monika Riedler (Sopran), Katrin Auzinger (Alt), Alexander Kaimbacher (Tenor) und Yasushi Hirano (Bass).
Zum Offertorium singt der Chor Antonio Salieris Graduale „Justorum animae“ aus 1800: „Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand, und keine Qual rühret sie an. In den Augen der Unwissenden sind sie gestorben. Sie aber sind im Frieden.“ (Text nach dem Buch der Weisheit 3,1/3; vgl. Brahms-Requiem, Teil III)
Sonntag, 5. November 2017: W.A. Mozart – Orgelsolomesse, KV 259
Die beiden C-Dur-Messen KV 258 und 259 sind zwischen Ende 1775 und 1776 entstanden. Sie weisen einige Parallelen auf. Der durch Pauken und Trompeten entstandene feierliche Charakter der beiden Messen wird durch später hinzugefügte Oboen-Stimmen weiter hervorgehoben. Dem Gebot der Kürze – eine ausdrückliche Anordnung des Salzburger Fürsterzbischofs – kommt große Beachtung zu. Es finden sich formale und satztechnische Neuerungen in den Sätzen Benedictus und Agnus Dei.
Die Orgelsolo-Messe KV 259 ist die kürzeste Messe Mozarts. Im Credo führt die Kürze zu diffuser Polytextur. Die konzertierende Behandlung der Orgel im Benedictus gab dieser Messe ihren Beinamen. In der Regel ist die Orgel in der figuralen, d.h. in der mit mehrstimmigem Gesang und Orchester bestrittenen Kirchenmusik ja nur begleitendes Continuo-Instrument. Seit der Frühklassik bis ins frühe 19. Jahrhundert wurde sie aber fallweise auch solistisch eingesetzt. Von Mozart in dieser Messe und in der „Missa solemnis“ KV 337, aber auch in der ersten seiner Vespern (KV 321).
Der Text des Benedictus ist in dieser Messe dem Soloquartett anvertraut, das sich zu einer ausgeschriebenen Kadenz über einem Orgelpunkt auf dem D des Orgelpedals steigert, wie sie in vergleichbarerer Weise aus Ensembles in Mozarts spätem Opernschaffen bekannt ist. Der liebliche Beginn des Kyrie hat eine solche Entwicklung und Steigerung gar nicht ahnen lassen.
Der erste Teil des Agnus Dei wirkt mit seiner pizzicato begleiteten Violinmelodie wie eine Serenade.
Einen Einblick in die kirchenmusikalische Praxis, aber auch in die stete Notwendigkeit, eine Kongruenz zwischen dem liturgischen Rang eines Festes und der dabei erklingenden Kirchenmusik herzustellen, liefert uns ein Brief Leopold Mozarts vom 28. Mai 1778 an seine Frau und an seinen Sohn in Paris. Am 17. Mai hatte im Salzburger Dom eine Bischofsweihe stattgefunden, bei der Leopold Mozart die Kirchenmusik zu leiten hatte: „Ich machte des Wolfg:Messe mit dem Orgl Solo: das Kyrie aber aus der Spaur Messe.“ Das schlichte Kyrie der „Orgelsolomesse“ war dem Fest der Bischofsweihe nicht adäquat, daher wurde es einfach aus der (heute so genannten) „Credomesse“ ersetzt.
(aus Mozart Sakral, 2006)
Als Solisten wirken mit: Cornelia Horak (Sopran), Katrin Auzinger (Alt), Alexander Kaimbacher (Tenor) und Yasushi Hirano (Bass; Anm. 3.11.: statt wie ursprünglich angekündigt Josef Wagner).
Zum Offertorium hören Sie die Kirchensonate G-Dur, KV 274 von W.A. Mozart.
Sonntag, 19. November 2017: Anton Bruckner – Messe Nr. 1 in d-Moll
Nachdem Bruckner im Februar 1863 den „Tannhäuser“ gehört hatte, schrieb er als Auftragswerk die Messe in d-Moll. Sie sollte zum Geburtstag des Kaisers am 18. August 1864 aufgeführt werden, wurde aber zu spät fertig. Am 20. November 1864, also vor 153 Jahren, wurde sie dann im alten Dom zu Linz uraufgeführt. Aufgrund des großen Erfolges folgte am 18. Dezember eine konzertante Aufführung im Linzer Redoutensaal. Am Kopf des Werkes steht auf einem Schild das Zeichen „O.A.M.D.G.“ – omnia ad maiorem Dei gloriam – alles zur größeren Ehre Gottes. Auch in der Jesuitenkirche ist dieser Leitspruch zu finden.
KYRIE – Nach einem düsteren Vorspiel, das durch den Orgelpunkt im Bass und sehnsüchtige Seufzermotive charakterisiert ist, führt der Chor zu einem Aufstieg, wie er später in mancher Symphonie Bruckners wieder zu finden sein wird. Die Solisten stimmen das „Christe eleison“ an, das aus der Umkehrung des Kyrie-Motives gebildet ist. Ein harmonisch kühner Überleitungsteil führt zur Wiederholung des Kyrie.
GLORIA – Verhalten beginnt das Gloria, um nach rasch anwachsendem Crescendo zum jubelnden „Laudamus“ zu führen. Das „Miserere“ vermittelt eine eigentümlich wehmütige Stimmung, die Bruckner in seiner neunten Symphonie zitiert, er bezeichnet sie dort als „Abschied vom Leben“. Nach einem Wiederholungsteil folgt eine grandiose Fuge mit einem an das B-A-C-H-Motiv erinnernden Thema.
CREDO – Der Beginn des Credo manifestiert Bruckners Glaubensfreude und Glaubenszuversicht. Das „Genitum non factum“ glättet die Wogen und führt nach einer reichen orchestralen Überleitung hin zum lyrischen und ausdrucksvollen „Et incarnatus“, das abwechselnd von Solisten und Chor gestaltet wird. Eindrucksvoll wird Leiden und Sterben des Erlösers geschildert, gefolgt von einer großartigen Schilderung des Erdbebens unmittelbar vor der Auferstehung des Heilands und der Schilderung des „Jüngsten Gerichtes“. Auch hier trägt ein Orgelpunkt zur großartigen Wirkung bei. Bei „Et in spiritum“ beginnt der Wiederholungsteil. Das „Et vitam“ kann nur aus Bruckners Urvertrauen dem Glauben gegenüber entstanden sein, innere Beglückung und Triumph des Naiv-Gläubigen sprechen daraus.
SANCTUS – Das eigenartig und auffallend kurze Sanctus wird von einem jubelnden „Hosanna“ abgeschlossen.
BENEDICTUS – Es lässt sich wohl nicht anders ausdrücken: Bruckner lässt seinen Gefühlen freien Lauf. Weit geschwungene Melodien, reiche Harmonik und Klangwirkungen zeigen alle Merkmale des Stiles, die Bruckner unverwechselbar machen. Die Wiederholung des „Hosanna“ schließt das Benedictus ab.
AGNUS DEI – Das Hauptmotiv des Agnus Dei leitet sich aus dem Kyrie her. Scharfe Dissonanzen vermitteln den Eindruck tiefer Zerknirschung und Erlösungssehnsucht. Wieder ein Orgelpunkt leitet zum abschließenden „Dona nobis“, das dem „Et vitam“ des Credo entspricht. Mit dem musikalischen Ausdruck eines „Friede im ewigen Leben!“ schließt die Messe leise, voll Zuversicht auf das Kommende.
Herbert Ortmayr (aus dem Booklet unserer CD; Jahreszahl redaktionell aktualisiert)
Die Solisten sind Cornelia Horak, Katrin Auzinger (Anmerkung 18.11.: statt Hermine Haselböck), Alexander Pinderak und Yasushi Hirano.
Zum Offertorium hören Sie „Wer bis an das Ende beharrt, der wird selig“, Chor aus dem Oratorium „Elias“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy.
26. November 2017, Christkönigssonntag: Anton Bruckner – Messe Nr. 3 in f-Moll
Zu Bruckners Messe in f-Moll, dem Höhepunkt unserer kirchenmusikalischen Saison, ist an dieser Stelle bereits vieles geschrieben worden. Meine kleine Werkeinführung, für diesen Newsletter etwas überarbeitet, füge ich als Anhang bei, zum Nachlesen, falls jemand sie noch nicht kennt, oder sich erinnern möchte; dafür fasse ich mich hier kurz.
Die Messe ist nunmehr in der Normalität unserer Aufführungspraxis und somit im Repertoire angekommen. Hatten wir bei den letzten beiden Aufführungen dieser großartigen „Glaubenssinfonie mit obligatem Chor und Solisten“ jeweils noch eine eigene Gesamtprobe am Vortag angesetzt, so beschränken wir uns nunmehr – wie auch bei anderen großen Messen üblich – auf eine etwas verlängerte Verständigungsprobe unmittelbar vor dem Hochamt. Viele Mitfeiernde kommen bereits bis zu eine Stunde vor Beginn des Hochamtes in die Kirche und stimmen sich mit der Probe, die – bei Werken dieser Dimension nicht zuletzt aus Platzgründen – immer „draußen“, also im Kirchenraum, stattfindet, auf die Messfeier ein.
Die f-Moll-Messe ist, bestimmt noch mehr als andere große Werke der Kirchenmusik, das gerade Gegenteil von gefälliger Erbauungsmusik, die den Messtext auskleiden soll. Jeder Abschnitt, jede Phrase, jeder Tonartenwechsel, jeder Takt, jede rhythmische Figur ist auskomponierter Sinn und Gehalt der Messfeier.
Wir laden Sie ein, sich im Hochamt meditativ auf dieses überirdische Werk einzulassen. Wir als Chor beten singend, Sie als Mitfeiernde hörend. Omnia ad Maiorem Dei Gloriam.
Martin Filzmaier
Solisten: Cornelia Horak (Sopran), Annely Peebo (Alt), Gernot Heinrich (Tenor) (Anm. 24.11.: statt Gustavo Quaresma) und Justus Seeger (Bass) (Anm. 23.11.: statt Martin Achrainer).
Zum Offertorium des Christkönigsonntags singt der Chor „Die Himmel rühmen“ von Ludwig van Beethoven.