Newsletter Dezember 2022

Wenn dieser Newsletter versendet wird, befinden wir uns bereits mitten im Advent. Und sofern nicht sehr unerwartet die Pandemie uns wieder zu Einschränkungen zwingt, wird die Weihnachtszeit gefeiert werden können wie von früher gewohnt. Doch: „wie von früher gewohnt“ ist in diesem Advent trotzdem nichts mehr. Wir haben eine „militärische Spezialoperation“, die die halbe Welt in den Ausnahmezustand versetzt. Ausnahmezustand sind wir gewohnt, doch dass in der Nachbarschaft Menschen in Kellern und Bunkern Zuflucht vor Bombardierungen suchen müssen, dass dort Licht und Wärme – Selbstverständlichkeiten für uns – in einem grimmigen Winter plötzlich einfach nicht mehr verfügbar sind – das kennt nur noch die Generation, die den Krieg und die Nachkriegszeit hier bei uns erlebt hat. Ausnahmezustand sind wir gewohnt – und unsere Selbstverständlichkeit, gegen unliebsame Maßnahmen auf die Straße gehen zu können, lautstark seinen Protest kundgeben zu können, ist für Menschen in weiten Teilen der Welt ein Risiko, Freiheit, Gesundheit oder gar das Leben zu verlieren. Ausnahmezustand sind viele von uns gewohnt, doch dass nun auch Menschen, die sich nicht vorstellen konnten, dass das jemals auch sie betreffen könnte, überlegen müssen, wie stark sie einheizen und wofür sie ihr Geld ausgeben, macht bewusst, dass wir an einer Zeitenwende angelangt sind. „Zeitenwende“, ein großes Wort – doch wie sonst könnte man diese gleichzeitige Zusammenballung von Krisen treffend bezeichnen? – Oder meint wirklich jemand, es werde sich nach und nach schon wieder alles irgendwie fügen – und dann wäre alles wieder so wie vorher?

Und die Chorvereinigung? Die Chorvereinigung macht Kirchenmusik. So als wäre nichts. Singt so schön wie gewohnt, erzeugt prächtigen Klang, und all das trotz einer der größten Krisensituationen seit Menschengedenken. Oder: wegen eben dieser Situation? Wem wäre gedient, wenn die Musik, eine der letzten Bastionen von Schönheit, Hoffnung und Zuversicht, schwiege? Noch hat niemand sich am Orgelpositiv festgeklebt, niemand den Dirigenten mit Erdäpfelpüree beworfen; die Verzweiflung ist noch nicht grenzenlos. Noch können wir singen, als wäre nichts.

Singen im Advent, der uns daran erinnert, dass wir schlussendlich nicht aus eigener Kraft und Genialität aus dieser Bedrängnis herausfinden werden. Wir warten auf den, der da kommen wird. Tauet, Himmel, den Gerechten…

Advent – die stillste Zeit im Jahr? Wer wollte uns das glauben machen? Advent: die Zeit von Schrecken und Bedrängnis, die aber ein Ziel hat! Wo sprechen die Lesungen und das Evangelium dieser Zeit von „Stille“ und „Besinnlichkeit“? Das Ende der Tage, die Ankunft, Wiederkunft des Herrn: das ist ganz sicher keine stille und besinnliche Zeit.

Und die Chorvereinigung singt, als wäre nichts. Nicht aber zu Weihnachten. Dass wir die Vielen so liebgewordene Mitternachtsmette nicht mehr musikalisch gestalten, ist nicht den Auswirkungen der Pandemie geschuldet. Der Grund ist viel profaner. Wir können sie uns einfach nicht mehr leisten. Vanillekipferl als Zahlungsmittel haben sich nicht als nachhaltig bewährt, Musiker:innen-Honorare sind in der Weihnacht noch dazu wesentlich höher als sonst, und die Spendenbereitschaft an der Kirchentüre weicht konsequent der nächtlichen Weihnachtsstimmung und Feierseligkeit. Beides zusammengenommen, geht sich für uns schlicht nicht mehr aus.

Jetzt muss ich mich am Ende für diese wirren Adventgedanken entschuldigen. Kein Wort über die wunderbaren Haydn-Messen, die wir im November gesungen haben, kein Wort über die Werke der kommenden Wochen. Stattdessen Gedanken, die – wenn überhaupt – in die Predigt gehören, nicht in einen Newsletter. Haben Sie also bitte adventliche Nachsicht mit
Ihrem
Martin Filzmaier, Obmann

2.Adventsonntag, 4. Dez. 2022, 10:30 Uhr

Antonio LOTTI (1666-1740) Missa in C

Mozart1767fürHPAntonio Lotti, geboren 1666 vermutlich in Venedig, wirkte vorerst als Sänger und Organist in San Marco. Nach einem Aufenthalt in Dresden 1717-1720, wo er drei Opern zur Aufführung brachte, widmete er sich – nach Venedig zurückgekehrt – ausschließlich der Kirchenmusik. Im Gegensatz zu seinen Opern, die sich bereits der Neapolitanischen Schule zuwenden, ist seine Kirchenmusik im „stile antico“ seiner Vorgänger gehalten, wenngleich Harmonik und Melodik bereits dem damaligen Zeitstil angepasst wurden.
Viele seiner Messen und geistlichen Chorwerke wurden schon zu Lebzeiten des Komponisten an den Höfen in Dresden und Wien aufgeführt. Sein bedeutender Beitrag zur Kirchenmusik hat den Namen Antonio Lotti bis in unsere Zeit erhalten.
Text: Anton Reinthaler, aus dem Vorwort zur Partitur, Herbst 1998

Donnerstag, 8. Dez. 2022, 10:30: Fest der unbefleckten Empfängnis Mariä

W.A.MOZART: Missa solemnis in c-Moll, „Waisenhausmesse“ KV 139 (1768)

Vater Mozart war sich bewusst, was auf dem Spiel stand: Der frisch erworbene Lorbeer, den Wolfgang auf den Reisen durch Europa errungen hatte, drohte zu verwelken. In Wien musste sich der Sohn neues Ansehen verschaffen, sollten nicht die Gegner triumphieren. Schon im Vorweg unterrichtete Leopold Freund Hagenauer von dem bevorstehenden Ereignis, auf das er so große Hoffnungen setzte: „Am Fest der unbefleckten Empfängnis wird die neue Kirche des P. Parhamerischen Waisenhauses Benedicirt werden; der Wolfgang hat zu diesem Fest eine Solenne Meß, offertorium und ein Trompeten Concert für eine Knaben dazu componiert und dem Waisenhaus verehrt. Glaublich wird der Wolfgang selbst tactieren.“
Vier Wochen später kann dann der stolze Vater „Vollzug“ melden: „Die Messe, so am 7. Decemb: vom Wolfgang: beim P.Parhamer in Gegenwart des Kayserl. Hofes aufgeführt worden, und wobey er selbst den Tact geschlagen, hat dasjenige, was die Feinde durch Verhinderung der opera zu verderben gedacht, wieder gut gemacht, und hat den Hof und das publicum, da der Zulauf erstaunlich war, der Bosheit unserer Widersacher überführet. Das umständlichere werde mündlich melden. Nichtweniger ist ein schönes present von Sr. Majestät der Kayserin erfolget.“ (Brief vom 14. Dez. 1768) Anwesend waren neben der Kaiserin die Erzherzöge Ferdinand und Maximilian, Erzherzoginnen Maria Elisabeth und Maria Amalia samt Feldmusik und 3 Chöre Trompeten und Pauken. Die Kirche wurde vom Kardinal und Erzbischof mit gesamter Geistlichkeit eingeweiht.
Warum der ganze Aufwand für ein Waisenhaus? Es war nicht irgendein Waisenhaus. Sein Leiter Ignaz Parhamer war vielmehr eine bekannte Persönlichkeit. Als Mitglied der Gesellschaft Jesu war ihm die Leitung des Waisenhauses am Rennweg in Wien-Landstraße übertragen worden. Die Kinder wurden nicht nur in den üblichen Schulfächern unterrichtet, sondern Pater Parhamer legte größten Wert auf die musikalische Ausbildung seiner Zöglinge, in Gesang und Instrumentenspiel, sodass diese keine Mühe hatten, auch die schwierigsten Chöre und Orchesterpartien auszuführen.
Mit seiner Musik hatte Mozart bereits als Zwölfjähriger das Tor zu den „Großen Messen“ weit aufgestoßen. Die Messe schwelgt in den schärfsten dramatischen Gegensätzen und enthält namentlich Nachtbilder von einer Kühnheit, an die die übrigen Werke dieser Zeit nicht entfernt heranreichen, wie die ersten Abschnitte des Kyrie und Agnus Dei, das Qui tollis und Crucifixus… Jene vier Sätze sind nicht nur durch die Molltonart, sondern auch durch den Ausnahmecharakter ihrer Harmonik und Instrumentation – mit Ausnahme des Qui tollis fügen sie den Streichern und Oboen noch drei Posaunen hinzu – innerlich miteinander verbunden. Mozart sucht hier ganz offensichtlich den hellen Grundton der neapolitanischen Messe durch scharfes Unterstreichen der Nachtseiten des Seelenlebens zu mildern, er tut das aber als richtiger Stürmer und Dränger, der er in diesem Falle ist, in der Weise, dass er vom lyrischen Boden auf den dramatischen übertritt und die menschliche Seelennot bis zu den Qualen ewiger Verdammnis steigert.
Gleich das Kyrie beschwört eine solche Szene aus dem Inferno herauf, ein dreimaliger Schrei der ganzen Chormasse mit folgenden Generalpausen, dazwischen ein echt Mozartisches, schicksalsschwer im Dreiklang absteigendes Motiv in den beiden Geigen, dem ein dumpfes Schluchzen in den Posaunen und Bratschen antwortet.
Wie tief Mozart wiederum das Crucifixus, die Kreuzigung Jesu, empfunden hat, geht aus der unheimlichen Wirkung hervor, die er mit seiner Instrumentation erzielt: Gedämpfte Clarinos und Trompeten und hämmernden Rhythmus, begleitet von dumpfen Posaunenklängen, lassen vor dem geistigen Auge Szenen der Kreuzigung entstehen, wie sie etwa Mathias Grünewald für den Isenheimer Altar gemalt hat.
(Zitiert aus: Heinz Gärtner „Mozart und der liebe Gott“, Langen Müller Verlag, 1997)
Als Solisten hören Sie: Monika Riedler, Martina Steffl, Alexander Kaimbacher, Yasushi Hirano.

3.Adventsonntag, 11. Dezember 2022, 10:30

Hans Leo HASSLER (1564-1612): Missa secunda

Hans Leo Hassler (auch: Hans Leo Haßler von Roseneck) getauft 26. Oktober 1564 in Nürnberg, gestorben 8. Juni 1612 in Frankfurt am Main, gehörte einer berühmten Musikerfamilie an. Sein Vater Isaac (geb. um 1530 in Joachimsthal, Böhmen) war seit 1558 Organist an der Spitalkirche in Nürnberg und bildete ihn schon früh zum Organisten aus. 1584 erhielt er Unterricht bei Andrea Gabrieli in Venedig. 1585 wurde er in Augsburg Kammerorganist des Grafen Oktavian II. von Fugger und Organist an St. Moritz. 1590 erschien seine erste Sammlung Canzonette a quatro voci. 1600 wurde er für ein Jahr neben seinen anderen Tätigkeiten noch Leiter der Augsburger Stadtpfeifer. Nach dem Tod des Grafen Oktavian ging er 1601 nach Nürnberg, wo er sich in erster Linie kaufmännischen Geschäften und der Entwicklung und Herstellung von Orgelautomaten widmete. Ab 1608 war er Kammerorganist des in Dresden residierenden Kurfürsten Christian II. von Sachsen. Im Jahr 1595 wurde er von Kaiser Rudolf II. zusammen mit seinen Brüdern Caspar Hassler und Jakob Hassler in den Adelsstand erhoben. 1604 erhielten sie das Adelsprädikat von Roseneck. Hans Leo Hassler starb 1612 auf einer Reise in Frankfurt am Main an Schwindsucht.
Hasslers Werk steht an der Stilwende von der späten Renaissance-Polyphonie zu venezianisch-frühbarocker Klangentfaltung sowie (in seinen Liedsätzen) zu schlichter, liedhafter Homophonie. Während seine Messen und Motetten meist noch dem kontrapunktisch-imitatorischen Prinzip in der Nachfolge eines Orlando di Lasso und eines Leonhard Lechners huldigen, entfalten seine mehrchörigen Werke, wie beispielsweise die 15-stimmige Motette Jubilate Deo oder sein 16-stimmiges Duo Seraphim bereits barocke Klangpracht nach dem Vorbild der venezianischen Mehrchörigkeit. Seine Werke zeichnen sich dabei nicht nur durch kontrapunktische Gelehrsamkeit, sondern auch durch höchste Anmut und Zartheit aus. In seinen vierstimmigen Bearbeitungen der gebräuchlichen Kirchenmelodien zeigt er, wie auch das Einfachste durch charaktervolle Bearbeitung bedeutsam werden kann.
Nicht weniger geschätzt als seine geistlichen Werke (Messen, Motetten etc.) waren seine Madrigale, Kanzonetten und deutschen weltlichen Lieder, darunter das später mit dem Text „O Haupt voll Blut und Wunden“ in den protestantischen Kirchengesang aufgenommene Lied Mein G’müt ist mir verwirret, das macht ein Jungfrau zart, welches sich nebst vielen anderen in seinem Lustgarten neuer deutscher Gesänge zu 4–8 Stimmen (Nürnberg 1601) findet.

4.Adventsonntag, 18. Dez. 2022, 10:30Motetten zur Adventzeit

Bei nur wenigen Gelegenheiten von Messfeiern im liturgischen Jahr singt der Chor nicht den üblicherweise vertonten Messtext der Teile Kyrie-Gloria-Credo-Sanctus/Benedictus und Agnus Dei, sondern umrahmt diese dann gebeteten Teile mit anderer Musik: das ist bei den Aufführungen von Schuberts und Michael Haydns Deutscher Messe der Fall, sowie je einmal in der Fasten- und in der Adventzeit, wenn liturgisch passende Motetten gesungen werden.

 

Unsere neue CD: „Advent und Weihnacht mit der Chorvereinigung St.Augustin“
Das Konzept dieser Weihnachts-CD ist inspiriert von einem Adventkonzert des Chores im Wiener Konzerthaus 1992 unter Prof. Friedrich Wolf. Eingeleitet wird das Programm von Motetten zum Advent wie „Tauet Himmel“, „O Heiland reiß die Himmel auf“ und „Maria durch ein‘ Dornwald ging“ im 4-stimmigen Chorsatz von Friedrich Wolf, dem Gründer des Chores, gefolgt von „Grad dort“ von Anton Heiller und „Stille Nacht“ in unserer be­rühmten vierstimmigen Chorfassung.
Als Höhepunkt der CD darf die Sopran-Arie „Et incarnatus est“ aus der Messe in c-Moll von Mozart gelten. Der innige Charakter des “Et incarnatus“ vollzieht das Geheimnis der Geburt Christi nach. Durch die pastorale Instrumentierung mit Flöte, Oboe und Fagott zur Begleitung der Singstimme wird die Hirtenszene an der Krippe nachgezeichnet. Mozart hat hier eines der bewegendsten Werke seines gesamten Kirchenmusikschaffens und eine der schönsten Sopran-Arien überhaupt geschrieben.
Es folgen der Weihnachtsteil des „Messias“ von Händel und Weihnachtsmusik wie „Es ist ein Ros‘ entsprungen“ von Praetorius, „Puer natus“ von Josef Rheinberger, „Vom Himmel hoch“ von J.S. Bach, „Mariä Wiegenlied“ und „Schlaf wohl, du Himmelsknabe“ von Max Reger, sowie „Panis angelicus“ von César Franck.
Eine besondere Rarität ist die Kantate „Laufet ihr Hirten“ von Michael Haydn, geschrieben für Sopran-Solo, Chor und Streicher, in der es dem Komponisten gelungen ist, die bäuerlich-dörfliche Atmosphäre für die weihnachtliche Kunst einzufangen.

Die Zusammenstellung der CD ist nicht zufällig, sondern folgt gleichsam einem dramatischen Aufbau vom Ruf nach dem Erlöser bis zum Wunder der Heiligen Nacht. Als fulminanten Abschluss haben wir das „Alleluja“ aus der Motette „Exsultate, jubilate“ KV 165 von Mozart gewählt. Diese populär gewordene Alleluja-Melodie ist ein hinreißendes Meisterwerk mit höchsten gesangstechnischen Anforderungen, das uns ahnen lässt, wie nahe einander damals (1773) Theater und Kirche waren.
Das Bild am Cover der CD zeigt die Krippe der Pfarrkirche Fulpmes in Tirol (bemalte Bretterkrippe, 18. Jhdt), die jedes Jahr zur Weihnachtszeit über dem Hochaltar aufgestellt wird.

Chor und Orchester der Chorvereinigung St. Augustin,
Leitung: +Friedrich Wolf, Andreas Pixner
Solisten: Cornelia Horak, Ildiko Raimondi (Sopran), +Gabriele Sima (Alt), Gernot Heinrich (Tenor)
Diese CD kann an der Kirchentüre nach den Sonntagsgottesdiensten erworben
oder über unsere Homepage bestellt werden. Preis der CD: € 18,-. 3 CDs: € 48,- (zuzügl. Porto)
www.chorvereinigung-augustin.com 0664/3366464