Ich freue mich, dass nach dem Hochamt am 29. Jänner so viele unserer Einladung gefolgt sind und bei einem Glas Sekt das 30-jährige Bestehen der Chorvereinigung im Arrupesaal mit uns feierten!
Wahrlich ist schon die Existenz eines Ensembles, das sein Wirken praktisch exklusiv der Kirchenmusik widmet, und das als eigenständiger Verein, ein kleines Wunder. Als der Chor mit seinem damaligen langjährigen Leiter, Prof. Friedrich Wolf, dem legendären Wolf, die Stadtpfarre St. Augustin verließ und sich auf eine heimatlose Irrfahrt durch die Kirchen Wiens begab, auf der Suche nach einem Proben- und Aufführungsort, ohne eigene Noten, praktisch mittellos, hat niemand so recht daran geglaubt, dass das noch etwas werden könnte mit diesem großen Chor, der nun nirgends mehr hingehörte. Unser Angebot klingt heute vielleicht verlockend: jeden Sonn- und Feiertag große Wiener Kirchenmusik mit Chor und Orchester. Aber stellen Sie sich vielleicht einmal als kleines Gedankenexperiment vor, dass der Chor der Wiener Staatsoper nach einem Zerwürfnis mit dem Direktor aus der Oper auszieht und nun weiterhin so 2, 3-mal pro Woche große Chorwerke singen möchte. Nabucco. Freischütz. Meistersinger. Aïda. Götterdämmerung… – Wer wird an so etwas interessiert sein? Das Theater an der Wien? Die Volksoper, die schon einen eigenen Chor hat? Das Ronacher? Die Wiener Kammeroper, wo der Chor nicht einmal zur Gänze hineinpasst, und wenn, das Publikum draußen bleiben muss…? Eine Pfarre, die für Kirchenmusik dieser Art keine Tradition hat, kann und will so ein Ensemble nicht integrieren. So ein Unternehmen lässt sich nicht einfach irgendwohin verpflanzen. Daher hat es auch gut ein Jahr heimatlosen Umherziehens gebraucht, bis schließlich der damalige Kirchenrektor P. Leo Wallner SJ sich langsam mit dem von unserem damaligen Obmann Dr. Otto Grumbeck an ihn herangetragenen Gedanken anfreundete, den Chor neben dem bereits bestehenden „Consortium Musicum Alte Universität“ (heute: CMWien) an der Jesuitenkirche anzusiedeln – und das durchaus nicht ohne Widerstände aus der Jesuitenkommunität und der Kirchengemeinde. Und bis heute gibt es viele, die das Hochamt um 10:30 vermeiden und lieber die Mittagsmesse danach besuchen, ohne Pauken und Trompeten.
Bis heute verdanken wir unser Dasein auch nicht nur der großartigen Musik, die wir Woche für Woche zu Gehör bringen dürfen, sondern dem unermüdlichen Einsatz so vieler Menschen über viele Jahre hinweg. Das beginnt bei Friedl Wolf, der den Chor noch über 10 Jahre nach der Vereinswerdung 1993 mit großem Erfolg leitete, und das unbezahlt, aus brennender Begeisterung für die Musik, und endet dann auch nicht mit Personen wie einer Gertrude Matz, die viele Jahrzehnte im Sopran sang, das Notenarchiv betreute, bei jedem Wetter den CD-Verkauf an der Kirchentüre machte und nun im sängerischen Ruhestand immer noch nach jedem Hochamt die in den Bänken liegengebliebenen Folder und Sonntagszettel wieder einsammelt, dann im Winter mit eiskalten Händen im Probenraum abliefert und strahlt, wie schön es denn heute wieder war…
Ein noch so guter, unbezahlt wirkender Chor, überhaupt mit unserem speziellen Repertoire, stößt rasch an seine Grenzen, wenn er nicht professionelle Orchestermusiker und Solist:innen gewinnen kann, die im Interesse der Qualität nun einfach Berufsmusiker sein müssen und daher nicht unbezahlt tätig sind. Der lapidare und abgelutschte Satz „Ohne Geld ka Musi“ zeigt seine banale Wahrheit, wenn wir bangen müssen, wie wir so eine große Messe, die schon einmal 2.000, 3.000 € oder mehr kosten kann, finanzieren, wenn bei der Sammlung an der Kirchentüre gerade einmal ein Drittel des Betrages „eingespielt“ wird. Dass sich das alles dann dank einiger großzügiger Spender:innen und der Gruppe der fördernden Mitglieder doch irgendwie ausgeht, seit inzwischen schon 30 Jahren, ist auch ein mittelgroßes Wunder. Irgendjemand an höherer Stelle muss wohl ein Interesse daran haben, dass wir mit dem, was wir da tun, weitermachen können.
Doch ist das alles nicht ein eitles Unterfangen, so viel Geld auszugeben für einen derartigen Luxus? Könnte man das nicht stattdessen den Armen und Bedürftigen geben? Mt 26,7 kommt in den Sinn (eine gute Gelegenheit, wieder einmal nachzulesen, was dort steht), und die Frage ist bis heute kontrovers.
Aber was da entsteht, bei den Menschen, die Woche für Woche kommen, um zu singen, um zu hören, Freude, Glück über Schönheit und Herrlichkeit – dieses Geschenk wird auch an Andere weitergegeben, aus der Kirche hinausgetragen: die Musik. Das Wort.
Sind wir da auf dem richtigen Weg? Ich glaube schon. – „Denn siehe, sie bringen reiche Frucht!“
Ihr
Martin Filzmaier, Obmann
Sonntag, 12. Februar 2023, 10:30 Uhr
Franz Schubert: Messe Nr. 2 in G-Dur, D 167 (1815)
Franz Schubert schrieb diese Messe 1815 im Alter von 18 Jahren, im gleichen Alter wie Mozart seine A-Dur-Symphonie KV 201. Sie war für die Pfarrkirche der Wiener Vorstadt Lichtental bestimmt, zu deren Sprengel Schubert gehörte. Es ist die kürzeste und einfachste Messe, die Schubert geschrieben hat und erinnert in manchen Einzelheiten an die F-Dur-Messe von 1814.
Ganz ungewöhnlich in der Textauffassung, aber einfach im formalen Aufbau ist das Credo der Messe: große Teile davon sind im pp und p gehalten, die Musik verzichtet weitgehend auf Interpretation des Textes bzw. die Darstellung von emotionalem Gehalt. Der Satz ist dreiteilig angelegt – nicht nur durch den dynamischen Kontrast pp – f -pp, sondern durch den Wechsel von staccato – legato, durch Gegensätzlichkeit der mehr akkordischen, ruhigen Eckteile zum melodiöseren, bewegteren Innenteil.
Die melodische Schönheit der Komposition kommt aber in der schlichten Besetzung des Orchesters nur mit Streichern und Orgel am besten zur Geltung – siehe das Sopran-Solo im Kyrie, das Solo-Terzett im Benedictus, und als Höhepunkt das aus 44 Takten bestehenden Agnus Dei.
Zu erwähnen ist auch, dass Schubert in keiner seiner Messen den Satz „Et unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam“ („Ich glaube an die eine, heilige, katholische Kirche“) aufnahm und im Credo der G-Dur-Messe auch das „Et exspecto resurrectionem mortuorum“ („ Ich erwarte die Auferstehung der Toten“) unvertont ließ (wodurch sich der unsinnige Satz „Confiteor unum baptisma in remissionem peccatorum mortuorum“ ergibt).
Als Solisten wirken mit: Risa Matsushima (Sopran), Hiroshi Amako (Tenor) und Yasushi Hirano (Bass).
Sonntag, 19. Februar 2023, 10:30 Uhr
Joseph HAYDN: „Mariazellermesse“ (1782)
Die Missa Cellensis in C-Dur (Hob. XXII:8, Autograph „Missa Cellensis Fatta per il Signor Liebe de Kreutzner“) ist die achte Messkomposition von Joseph Haydn. Sie wird meist „Mariazellermesse“ genannt, entstand im Jahre 1782 vor seiner erster Englandreise und ist die letzte Messvertonung Haydns vor seinen sechs letzten großen Messen. Wie der Beiname sagt, widmete Haydn die Messe – ebenso wie die 1766–1773 entstandene „Missa Cellensis in honorem Beatissimae Virginis Mariae“, auch „Große Mariazeller Messe“ oder „Cäcilienmesse“ genannt, in C-Dur (Hob. XXII:5) – dem Wallfahrtsort Mariazell. Die Messe war ein Auftragswerk des Offiziers Anton Liebe von Kreutzner anlässlich seiner Erhebung in den Adelsstand. Die Fugen in der „Missa Cellensis“ wurden allgemein bewundert und als der junge Beethoven 1794 ein Schüler von Albrechtsberger war, gab ihm dieser die Fuge aus dem „Dona nobis pacem“ zu studieren.
Im Vergleich zu den späten Messen Haydns ist ihr Aufbau noch sehr traditionell: Fugen am Ende von Gloria, Credo und Agnus Dei, Solopassagen im Gloria und Credo und ein solistisches Benedictus. Allerdings baute Haydn auch ganz neue Dinge ein, wie zum Beispiel eine langsame sinfonische Introduktion am Anfang des Kyrie, bei dem aus den tiefen Stimmen von Chor und Orchester der Satz erwächst. Die Fugen sind sehr rhythmisch und stark synkopiert, die Solopassagen erscheinen sehr theatralisch. Diese Messe ist somit ein Bindeglied zwischen den frühen und späten Messen von Joseph Haydn. Besetzung: Soloquartett, Chor, 2 Oboen, Fagott, 2 Trompeten, Pauken, Violine I und II, Viola, Cello, Kontrabass, Orgel.
Die zahlreichen Abschriften der Messe zeugen von der großen Beliebtheit, die sie früher besaß, und deren sie sich heute noch erfreut. Erklärbar und verständlich wird diese durch den „volkstümlichen“ Charakter der Messe, der jedoch keineswegs als „simpel“, „banal“ oder „trivial“ zu bezeichnenden musikalischen Faktur einhergeht. Vielmehr gelingt es Haydn in der Mariazellermesse überzeugend, eine spezifische Synthese herzustellen zwischen den hohen Ansprüchen „autonomer“ Kunstmusik einerseits, die in entsprechenden Kompositionstechniken (kontrapunktische Polyphonie, Sonatensatzprinzipien z.B. im Vivace des Kyrie) ihren Niederschlag finden, und der ästhetischen Forderung der Zeit nach „Verständlichkeit“ andererseits.
Bei der Suche nach Gründen für die Beliebtheit der Mariazellermesse sei noch auf eine Besonderheit hingewiesen. Haydn hat bei der kompositorischen Arbeit nur in seltenen Fällen auf eigene Werke zurückgegriffen. Das Benedictus der Mariazellermesse ist jedoch ein solcher Fall, im Hinblick auf Haydns Messkompositionen sogar ein einmaliger. Als Vorlage diente ihm hierbei die Arie des Ernesto „Qualche volta non fa male“ aus dem 2. Akt seiner komischen Oper „Il mondo della luna“ (nach einem Libretto von Carlo Goldoni), die 1777 anlässlich einer Fürstenhochzeit in Schloss Esterházy uraufgeführt worden war. Bei der Bearbeitung hielt sich Haydn in den Instrumentalstimmen überwiegend an die Vorlage, lediglich die Hornstimme und einige Zwischenspiele wurden gestrichen. Die originale Singstimme wird im Benedictus meist vom Alt gesungen, die anderen Stimmen sind davon materialmäßig abgeleitet. Durch den Verzicht auf jeglichen Sologesang einer einzelnen Stimme wurde schon rein äußerlich eine Erinnerung an den ursprünglichen Verwendungszusammenhang vermieden.
Einige der kompositorischen Eingriffe, durch welche Haydn die profane, von Streit und Versöhnung handelnde Opernarie in das andachtsvolle, Lobpreisung ausdrückende Benedictus verwandelte, seien genannt: Glättung des Melodieverlaufs bei gewichtigen Textworten (z.B. „Domini“), Streichung von Modulationen, die auf Grund des wesentlich längeren Arientextes notwendig waren (z.B. in den Takten 27 f.: hier ein unvermitteltes Gegenüberstellen von D-Dur und B-Dur, das einen überraschenden, durch die Generalpause verstärkten Kontrast von ausladendem barockem Tutti-Teil und elegisch-schwärmerischen Soloquartett-Teil ermöglichte (hier klingen in paarweiser Stimmkopplung die Anfangstakte des 1798 komponierten österreichischen Kaiserliedes an); völlige Neukomposition der für das Benedictus zu opernhaften originalen Singstimme(n) und Integration in das Instrumentalstimmengerüst (z.B. in Takt 22-26).
Die Gründe für Haydns Rückgriff auf die fünf Jahre alte Opernarie sind nicht bekannt; eine Vermutung liegt jedoch nahe. Seine Oper wurde in Eisenstadt wahrscheinlich überhaupt nur ein einziges Mal aufgeführt, Inszenierungen andernorts gab es nicht. Bei der musikalischen Qualität dieser Arie wundert es nicht, dass Haydn sie dem stummen Dasein in der fürstlichen Bibliothek entreißen und ihr neue Wirkungsmöglichkeiten eröffnen wollte. Die Popularität der Mariazellermesse gibt ihm zweifellos Recht.
Interessant ist auch die Reihenfolge der nachmaligen Besitzer des Autographs. Sie ging vom Adressaten der Partiturwidmung, Anton Liebe, Edler von Kreutzner, an den Wiener Kunstsammler Franz Pieringer, der sie 1824 an Raphael Georg Kiesewetter, Edler von Wiesenbrunn, schenkte. Aus Kiesewetters Hand gelangte das Autograph dann in den Besitz von Aloys Fuchs, der es etwa 1850 dem Stift Göttweig vermachte. Dort lag die Partitur, bis sie 1937 – nach Angaben von H.C. Robbins Landon – auf „persönliche Intervention Adolf Hitlers“ für die Preußische Staatsbibliothek Berlin requiriert wurde.
(Text: Auszüge aus: Andreas Ballstaedt / Volker Kalisch im Vorwort der Partitur des Carus-Verlages)
Als Solisten hören Sie: Ursula Langmayr, Martina Steffl, Clemens Kerschbaumer und Martin Achrainer
Sonntag, 26. Februar 2023, 10:30 Uhr
Michael HAYDN: Missa in Tempore Quadragesimae, MH 553 (1794)
Diese Messe wurde bei uns seit jeher „Missa in tempore Adventus et Quadragesimae“ genannt. Seit der neuen Edition der Messen von Michael Haydn verwenden wir nun den originalen Namen.
Wie sein um fünf Jahre älterer Bruder Joseph Haydn wurde auch Johann Michael Haydn (* 14. September 1737; † 10. August 1806) im niederösterreichischen Rohrau geboren und wegen seiner schönen Sopranstimme mit acht Jahren als Sängerknabe am Kapellhaus zu St. Stephan in Wien aufgenommen. Umgeben von einer reichen Tradition barocker Kirchenmusik, studierte er bei Georg Reutter d.J., Kapellmeister an St. Stephan, die Grundlagen der Komposition.
1760 erhielt Johann Michael Haydn eine Anstellung als Kapellmeister beim Bischof von Großwardein (im heutigen Rumänien). Haydn blieb jedoch nicht in der Provinz, sondern schaffte 1763 den Sprung an den renommierten geistlichen Fürstenhof in Salzburg, wo er über 40 Jahre in den Diensten von Fürsterzbischof Sigismund Graf Schrattenbach und seinem Nachfolger Hieronymus Graf Colloredo stand. Als „Hofmusicus und Concertmeister“ war er Kollege von Vizekapellmeister Leopold Mozart und dessen Sohn WolfgangAmadé.
Nach W. A. Mozarts Zerwürfnis mit dem Salzburger Hof wurde er 1782 dessen Nachfolger als erster Hof- und Domorganist. Michael Haydn war ein gesuchter Pädagoge, zu dessen Schülern u. a. Anton Diabelli, Sigismund Neukomm und Carl Maria von Weber zählten.
In den beiden letzten Lebensjahrzehnten widmete sich Haydn fast ausschließlich der geistlichen und weltlichen Vokalmusik. Mit den gleichstimmigen deutschen Liedern, die er für die geselligen Treffen mit seinen Freunden schrieb, schuf Haydn die neue Gattung des Männerquartettes.
Zwei Reisen führten Haydn 1798 und 1801 zu seinem Bruder nach Wien. Ein lukratives Angebot als Vizekapellmeister am Esterházyschen Fürstenhaus lehnte er ab. Ehrend war für den „Salzburger Haydn“ die Aufnahme in die „Königliche Schwedische Musikakademie“ im Jahr 1804. Im August 1806 starb Johann Michael Haydn und wurde auf dem Friedhof der Salzburger Erzabtei St. Peter beigesetzt. Bereits zu seinem 15. Todestag wurde 1821 in der Stiftskirche St. Peter ein Denkmal enthüllt. In berührenden Worten berichtete Franz Schubert im August 1825 seinen Eindruck vom Besuch dieses Grabmonuments: „Es wehe auf mich, dachte ich mir, dein ruhiger, klarer Geist, du guter Haydn, und wenn ich auch nicht so ruhig und klar sein kann, so verehrt dich doch gewiss Niemand auf Erden so innig als ich. (Eine schwere Thräne entfiel meinen Augen…).“
Die Missa in Tempore Quadragesimae (Messe für die Fastenzeit ), MH 553, ist eine Messe ohne Gloria. Michael Haydn komponierte die Messe als Musikdirektor in Salzburg unter Erzbischof Colloredo. Die Missa steht perfekt im Einklang mit den damals gültigen Idealen für Reformen in der katholischen Kirche: funktional, kurz, einfach, bescheiden und mit der gregorianischen Tradition verbunden. Die Messe in d-Moll wurde 1794 in Salzburg für vierstimmigen Chor und Orgel geschrieben. Das Autograph trägt den Titel: „Missa, tempore Quadragesimae à 4 Voci in pieno, col Organo Di Giov. Michele Haydn“ (Messe für vier Stimmen, Fastenzeit, mit Orgel von Johann Michael Haydn). Die Messe wurde zuerst um 1820, vielleicht 1827, in Augsburg von Anton Böhme veröffentlicht.