Bruckner im Neujahrskonzert! Früher hätt’s sowas nicht gegeben. Bruckner in der Jesuitenkirche? Selbstverständlich! Ganz zeitnah zu Bruckners 200. Geburtstag am 4. September singen wir die e-Moll-Messe. Was darüber hinaus noch möglich sein wird (wir hoffen zumindest auf die f-Moll-Messe), ist noch nicht ganz sicher und hängt auch von der fortgesetzten Konsolidierung des Chors ab. A-cappella-Gesang (etwa für die Motetten, die wir an sich im Repertoire haben) ist noch ein heikles Thema, an dem aber gearbeitet wird.
Zwischen Weihnachten und Silvester starb unser langjähriger Bass-Kollege Franz Rauchegger nach langer Krankheit. Seine Herkunft aus Tirol war ihm in jedem Wort anzumerken gewesen, und seine oft brutale Offenheit und sein mehr als rauher Charme waren so gut verträglich, weil er von Herzensgüte und aufopfernder Freundlichkeit getragen war. Franz hatte in unserem alten Probenraum in den Jahren vor dem Umbau ein Chorpodium genau nach unseren Bedürfnissen gebaut (alles selbst gezimmert!), dem wir noch heute nachweinen. Wir werden dem von Allen, die ihn kannten, geschätzten und geliebten sturen Querkopf, der die letzten Jahre dann nicht mehr bei uns gesungen, aber oft noch die Messen besucht hat, ein ehrendes Andenken bewahren, und widmen ihm einen Offertoriumsgesang in einer unserer ersten Messen.
Das Programm für den Jänner, unten näher erläutert, kann sich wirklich sehen lassen – auch, was die Solistenbesetzung betrifft. Umso mehr bedauere ich, dass ich diesmal nur bei der Messe von Otto Nicolai selbst dabei sein kann. Die Kolleg*innen – und vielleicht auch Sie – werden mir berichten…
An dieser Stelle auch die besten Wünsche für das Neue Jahr, Glück und Gesundheit, wenn auch „in angustiis“ (21. Jänner), von Ihrem
Martin Filzmaier, Obmann
Samstag, 6. Jänner 2024, 10:30 Uhr: Dreikönigstag
Anton DIABELLI – Pastoralmesse in F, op. 147 (1830)
„Als Tonsetzer muss Diabelli unter seinen Kunstgenossen den allerfruchtbarsten zugezählt werden. Aber nicht allein die Quantität, weit mehr noch der qualitative Werth seiner Werke ist es, dem volle Achtung gebührt. Ein großes Verdienst erwarb er sich vorzüglich durch seine, durch die Überschrift „Landmessen“ die spezielle Bestimmung aussprechenden Kirchenstücke.“
So beschreibt der Nekrolog der Neuen Wiener Musikzeitung vom 15. April 1858 das Wirken des österreichischen Komponisten, Gitarristen, Verlegers und Pianisten Anton Diabelli.
Diabelli wird am 5. September 1781 in Mattsee nahe Salzburg in eine Musikerfamilie hineingeboren. Er erhält bereits in jungen Jahren ersten Unterricht durch seinen Vater und wird mit 7 Jahren als Sängerknabe in das nahe liegende Kloster Michelbeuern aufgenommen. Hier wird ihm eine gründliche musikalische Ausbildung zuteil, welche ab dem Jahr 1790 auf Betreiben seines Förderers Michael Haydn im Benediktinergymnasium Salzburg stattfindet. Die Eltern hatten ihren Sprössling für die geistliche Laufbahn vorgesehen. So erklären sich der Besuch der Lateinschule am Münchner Wilhelmsgymnasium und der spätere Eintritt in das Zisterzienserkloster Raitenhaslach. Die 1803 einsetzende Säkularisation zwang Diabelli dazu, das Kloster zu verlassen. Er gab daraufhin seinen Wunsch, Priester zu werden, auf und widmete sich von diesem Zeitpunkt an ausschließlich der Musik. Nach ersten Kompositionen für Gitarre gründete Diabelli 1817 einen Verlag, hauptsächlich, um seine eigenen Werke herauszugeben. Neben eigenen Kompositionen fanden sich aber auch Werke anderer großer Komponisten seiner Zeit im Verlagskatalog, so auch die unter seinem Namen berühmt gewordenen Diabelli-Variationen von Ludwig van Beethoven.
Eines der Hauptanlagen seiner war aber die Förderung von Kirchenmusik. Er bewirbt seinen Verlag mit der Forderung nach gut ausführbaren Kirchenstücken – Messen, Gradualien, Offertorien und Tantum ergo – mit leicht ausführbaren Sätzen und fasslichen Melodien. An diesen Erfordernissen entlang schreibt Diabelli seine insgesamt 16 Messen, davon sechs sog. „Landmessen“.
Seine Pastoral-Messe in F-Dur op.147 nimmt in Diabellis Schaffen eine Sonderstellung ein. Dies liegt zum einen an der umfangreicheren Besetzung mit 1 Flöte, 2 Klarinetten oder Oboen, 2 Fagotten, 2 Trompeten, Pauken, Streichern und Orgel. Der Gattungsbegriff „Pastoralmesse“ hat seinen Ursprung eher im süddeutschen und österreichischen Raum. Die Grundzüge solcher Kompositionen sind vor allem eher mäßige Tempi, die Verwendung von 6/8- bzw. 12/8-Taktmaßen, Terz- bzw. Sextparallelen und Orgelpunkten und oft eine homophone Satzweise. Diese oft als „schlicht“ abgewertete Komponierweise fand wegen ihrer Anmutung einer „Hirtenmusik“ oft Verwendung in der Weihnachtszeit. Die Meinung über solche Tonsatzkonstrukte war allerdings schon im ausgehenden 18. Jahrhundert geteilt.
Die von Diabelli im November 1830 komponierte Messe ist ein Gesamtkunstwerk im Bereich dieser Gattung, ein Kaleidoskop zahlloser kleiner Ideen und Einfälle, die sich zu einem großen Ganzen zusammenfügen.
So beginnt das Kyrie sowohl im typischen 6/8-Takt wie auch in der gängigen Pastoraltonart F-Dur. Das Gloria eröffnet mit einer großen Fanfare, die durch die Pizzikati in den Streichern aber sehr duftig kontrastiert wird. Der sprichwörtliche „Friede auf Erden“ wird von Diabelli durch einen Wechsel nach a-Moll und die erneute Verwendung des 8/8-Taktes dargestellt. Man fühlt sich an Passagen aus den Liederzyklen von Franz Schubert, wie z.B. den „Leiermann“ aus der Winterreise erinnert, ohne dass es zu direkten Zitaten kommt. Die mehrsätzige, bzw. mehrteilige Anlage des Gloria verweist auf den Typus einer Missa solemnis, so wie sie der junge Mozart z.B. in seiner Dominicus-Messe (KV 66) oder in der Waisenhaus-Messe (KV 139) realisiert hat, ohne jedoch die einzelnen Abschnitte satztechnisch exakt voneinander zu trennen. Das Gloria schließt mit einem Fugato ab, welches in einer Coda über einem pochenden und steigend Instrumentalbassmotiv seinen festen Abschluss findet.
Das Credo vermittelt zunächst eine pastorale Grundstimmung. Der erste Teil des Glaubensbekenntnisses kommt fast in einer Art Plauderton daher, ohne jedoch ins Banale abzugleiten. Ein deutlich oberösterreichisches Lokalkolorit bekommt der Zuhörer dann im „Et incarnatus est“ präsentiert. Unter einer virtuos aufspielenden Soloflöte hört man im alpenländischen Dreigesang das Wunder von der Menschwerdung Jesu künden. Bevor sich aber der süßliche Ton festsetzen kann, wir er durch eine fast apokalyptische und düstere Stimmung im „Crucifixus“ kontrastiert. Das letzte Credo-Drittel (beginnend mit „Et resurrexit“) teilt Diabelli wieder in mehrere stilistisch unterschiedlichen Teile. Hier fällt vor allem der plötzliche Wechsel in das mezza voce mit der Textpassage „Et in Spiritum Sanctum“ auf. Der Komponist verwendet hier als Melodie den 8. Psalmton und lässt die erste Passage von den Frauenstimmen, die zweite von den Männerstimmen unisono singen. Die dritte Passage ist eine leichte Abwandlung dieses Psalliermodells durch die Tiefalteration von H nach B in der Mittelkadenz. Die „prophetas“ klingen durch diese leichte Moll-Anwandlung noch etwas „ehrwürdiger“. Ein heiterer Wechsel von Soli und Chor und der Ausblick auf das Leben der kommenden Welt bei „Et vitam venturi“ beschließen dieses heitere wie zugleich nachdenklich stimmende Credo.
Im Sanctus hören wir zunächst einen sehr majestätisch klingenden Engelchor mit rhythmischen Anklängen an eine französische Ouverture. Dieser höfische Anklang verfliegt aber im wahrsten Sinne des Wortens bei „Hosanna in excelsis“, der Rückgriff auf eine Rhythmisierung im 6/8-Takt lässt hier wieder die eher ländlich orientierten Engelstimmen zu Wort kommen. Das Benedictus folgt in einem fast ausgelassenen und heiteren Zwiegespräch der Solostimmenpaare. Der Chor versucht diesem Gestus zu folgen, muss aber bei den Parlando-Girlanden der Sopran-Solistin den Vortritt lassen. Der Rückgriff auf das 6/8-Hosanna rundet die Sanctus-Benedictus-Kombination ab.
Das Agnus Dei verbreitet eine ruhige und zufrieden klingende Stimmung – keine Spur von dem in der Barockzeit oft verwendeten Bild des „Lammes, das da geschlachtet ward.“ Man begegnet eher einer Vertonung der Jesaja-Vision aus Kapitel 11,6ff., in welcher der Wolf Schutz vom Lamm findet und der Panther beim Böcklein liegt; eine Vorwegnahme des Friedenswunsches im „Dona nobis pacem“, welches die Musik aus dem Fugato am Ende des Gloria wieder aufnimmt.
Diabellis Werk wurde sehr schnell populär und durch die Drucklegung in seinem eigenen Verlag auch weit verbreitet. Die Rezensionen waren durchwegs sehr wohlwollend und positiv. Dies änderte sich allerdings mit dem Einsetzen der Cäcilianismus-Bewegung fast schlagartig. Einer Tempelreinigung gleich fegten die Schriften von F. X. Witt oder P. Krutschek ganze Generationen von Kirchenkomponisten hinweg und verbannten sie in das kontrapunktische Fegefeuer. Eine Kritik, die neben der Abqualifizierung der „Gegenseite“ über den „Gral der wahren Kirchenmusik“ zu verfügen scheint, lässt die Grundrichtung einer objektivierten Liturgie und ihrer fast durchweg emotionsfreien Kirchenmusik erkennen.
Welche Musik in den Hörerinnen und Hörern zu welchem Text welches Gefühl entstehen lässt, sollen und können wir getrost den Empfängern der Botschaft überlassen.
Autor: Frank Höndgen im Vorwort zur Carus-Ausgabe 2020
Als Solisten wirken mit: Monika Hosp, Katrin Auzinger, Thomas Ebenstein, Klemens Sander.
Zum Offertorium hören Sie die Bass-Arie aus dem Weihnachtsoratorium von J.S. Bach: „Großer Herr und starker König“.
Die mit Solotrompete, Streichern, Continuo und Bass besetzte festliche Musik der Arie „Großer Herr, o starker König“ entstammt der Glückwunschkantate „Tönet, ihr Pauken“ (Originaltext: „Kron und Preis gekrönter Damen“). Bis ins Detail passen Originalmusik und neuer Text zusammen: Das herrschaftliche Blasinstrument grüßt gleichsam den neugeborenen König, der durch zahlreiche Oktavsprünge im Continuo symbolisiert wird, die gebrochenen Dreiklänge des Ritornells verweisen auf dessen Gottschaft wohingegen die zahlreichen Synkopen unter Fortlassung der Trompete eindrücklich die wohl hölzerne Krippe als unbequeme Schlafunterlage, sowie Kargheit und (vordergründige) Unangemessenheit der Szene nachzeichnen.
Text: Markus Schönewolf, Werkeinführung, https://schoenewolf.com/bach-weihnachtsoratorium/
Sonntag, 7. Jänner 2024, 10:30 Uhr
Joseph HAYDN – „Nikolaimesse“ (1772)
Mit der Nikolaimesse (Missa Sancti Nicolai in G-Dur, Hob. XXII:6, auch „Sechsviertelmesse“ genannt) erfüllte Haydn möglicherweise den Auftrag seines Dienstherrn, eine Messe zu dessen Namenstag am 6. Dezember 1772 zu schreiben. Vielleicht war es auch Haydns spontaner Entschluss, dem Fürsten mit einer neuen Messe seinen Dank zum Ausdruck zu bringen. Haydn hatte im November 1772 mit Hilfe seiner Abschiedssymphonie Fürst Nikolaus bewogen, mit dem Hofstaat vom feuchten Sommersitz im ungarischen Eszterháza nach Eisenstadt zurückzukehren. Jedenfalls ist im originalen Stimmensatz, der in Eisenstadt aufbewahrt wird, die große Eile bei der Herstellung des Materials erkennbar. Vom Typus her entspricht die Nikolaimesse der „Missa brevis“, kontrapunktische Techniken werden sparsam eingesetzt, im Credo findet sich die Polytextierung, für das Dona nobis greift Haydn auf das Kyrie mit seinen tänzerischen Akzenten zurück, eine im süddeutsch-österreichischen Raum verbreitete Praxis. Liedhafte Melodik, der Verzicht auf ausschweifende Solopassagen, die dramatische Ausgestaltung einzelner Textaussagen sowie die intensive differenzierte Affektsprache sind die stilistischen Elemente, mit denen Haydn äußerst konzentriert arbeitet. Wegen des ungewöhnlichen Metrums im Kyrie erhielt das Werk auch die Bezeichnung „Sechsviertel-Messe“. Der galant idyllische Tonfall der Nikolaimesse entspricht dem Typus der „Pastoralmesse“. Auch bei dieser Messe Haydns sind Erweiterungen in der Instrumentierung mit Trompeten und Pauken überliefert.
Spiritueller und musikalischer Höhepunkt der Messe ist zweifellos das mit verhaltener Streicherbegleitung unterlegte Solistenquartett des Crucifixus. Die außerordentliche harmonische Dichte dieses kurzen, meditativen Teils hebt sich deutlich aus dem „galant Idyllischen“ dieser Messe heraus. Nie ist bei Haydn die Vertonung des Messtextes musikalischer Selbstzweck; immer hat er Verkündigungscharakter. Wie so oft in seinen Messkompositionen legt der Komponist die seinem persönlichen, im besten Wortsinn „gut katholischen“ Glauben entsprechende Akzentuierung in den Messtext, wenn er die Solisten immer wieder das „pro nobis“ insistieren lässt: für uns musste der Heiland dieses Leiden erdulden, für uns ist Er gestorben, wurde Er begraben – „pro nobis“.
Text aus dem Internet, Autor unbekannt.
Solisten: Cornelia Horak, Martina Steffl, Thomas Ebenstein und Stefan Zenkl.
Die Messe ist auf CD erhältlich.
Zum Offertorium erklingt die Motette „Ich steh an deiner Krippen hier“ von J.S. Bach.
Der Choral „Ich steh an deiner Krippen hier“ wendet dies auf den Gläubigen an, der sich selbst als Geschenk Gott darbringen soll. Traditionell wurde dieser Choral zu Bachs Zeit nach der Melodie vo
Als Melodieangabe steht im Erstdruck „Nun freut euch lieben Christen“. Gemeint ist die von Martin Luther 1529/1533 komponierte „ruhigere“ Melodie zu „Nun freut euch, lieben Christen g’mein“, die später mit dem Text „Es ist gewisslich an der Zeit“ (EG 149) verbunden wurde. Mit dieser Melodie wurde „Ich steh an deiner Krippen hier“ in zahlreiche ältere Gesangbücher aufgenommen und erscheint mit ihr auch in Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium von 1734.
Sonntag, 21. Jänner 2024, 10:30 Uhr
Joseph HAYDN – Missa in angustiis, Hob. XXII:11 „Nelsonmesse” (1798)
Vierzehn Jahre nach der Komposition der „Mariazellermesse“ sah sich Joseph Haydn durch seinen fürstlichen Dienstgeber Nikolaus Esterházy wieder veranlasst, den Ordinariumstext zu vertonen. Das Namensfest der Fürstin Maria Hermenegild wurde jedes Jahr mit einem musikalischen Hochamt gefeiert. Sechs große Messen schrieb Haydn 1796 bis 1802 für diese Festlichkeiten, 1798 die „Missa in Angustiis“.
Das Autograph der Messe (Musiksammlung der österreichischen Nationalbibliothek) trägt die Vermerke „In Nomine Domini … di me Giuseppe Haydn 10. Julj 1798 Eisenstadt“ und „Fine Laus Deo 31. Aug.“ Die Messe ist in einer durch Kriegswirren gezeichneten Zeit entstanden, worauf sich auch der Titel im Entwurfkatalog Haydns bezieht: „MISSA IN ANGUSTIIS“, also Messe in Not, in Bedrängnis.
Zur „Nelsonmesse“ wurde sie erst in den folgenden Jahren. Nach zeitgenössischen Berichten soll Haydn, eben, als er das Benedictus der Messe komponierte, von seinem Fürsten Nachricht erhalten haben, dass laut Bericht eines Kuriers, Admiral Nelson die Franzosen besiegt habe (Seeschlacht bei Abukir – 1. Aug. 1798). Haydn habe nun diesen „blasenden Kourier“ nicht mehr aus seiner Phantasie verdrängen können, und so sei die Fanfarenstelle im Benedictus (Takte 122-133) entstanden. Zwei Jahre später wurde die Messe in Eisenstadt anlässlich eines Besuches Lord Nelsons von der esterházyschen Kapelle dargeboten.
Von den vorangegangenen Messen (Paukenmesse, Heiligmesse), die Haydn nach seinem zweiten Londonaufenthalt komponierte, unterscheidet sich die „Nelsonmesse“ in einigen sehr wesentlichen Punkten. Da ist einmal die Wahl der Tonart für das Kyrie: d-Moll (in allen anderen Messen Haydns steht das Kyrie in Dur), der Verzicht auf die bei Haydn sonst übliche langsame Einleitung dieses Satzes und ein Beginn mit einem 15 Takte umfassenden fanfarenartigen Orchestervorspiel, ehe der Chor den ersten Kyrie-Ruf anstimmt. Da ist ferner die eigenartige Instrumentierung zu nennen – Streicher, drei Trompeten, Pauken, solistisch eingesetzte Orgel – die später zu verschiedenen „Uminstrumentierungen“ geführt hat, wovon noch die Rede sein wird.
Auch das Gloria trägt ungewohnte Züge. Der mehrmalige Wechsel zwischen Sopransolo und Chor (zu Beginn des Satzes und im Quoniam) erinnert an die Bitten einer Litanei. Ähnlich ist auch das Qui tollis (Bass Solo – Chor) angelegt. Der Tradition verhaftet ist die Fuge „in Gloria Dei Patris. Amen.“
Herb, archaisierend, als Kanon in der Quinte (Sopran/Tenor – Alt/Bass) gestaltet, beginnt das Credo. Im Wechsel von Solo und Chor wird das Et incarnatus vorgetragen. Besonders eindrucksvoll das Crucifixus, wo Trompeten und Pauken das Unisono des Chores wirkungsvoll unterstreichen. Ungewohnt, aber dem Gesamtcharakter der Messe entsprechend, ist der Moll-Beginn des Et resurrexit. Befreiend und zuversichtlich wirkt daher am Schluss des Satzes das strahlende D-Dur bei den Worten „et vitam venturi“, die der Solosopran anstimmt und die der Chor jubelnd übernimmt.
Reich an dynamischen Schattierungen und harmonisch interessant ist das Sanctus. An die „Nikolaimesse“ aus 1772 erinnert das auf den aufsteigenden Dreiklang aufgebaute Pleni sunt coeli. Zu den monumentalsten Messsätzen Haydns zählt das Benedictus. Die Tonart des Kyrie (d-Moll) wird wieder aufgegriffen. Ein symphonisch angelegtes Orchestervorspiel (34 Takte) bringt die Themen, die dann von den Solisten und vom Chor aufgegriffen und in grandioser Weise zu dem eingangs besprochenen fanfarenartigen Schluss geführt werden. Das Hosanna wird wörtlich aus dem Sanctus übernommen.
Kindliches Vertrauen in das Erbarmen Gottes spricht aus dem Adagioteil des Agnus Dei, der von den Solisten gestaltet wird, doch spürt man hintergründig die Angst vor den Schrecken des Krieges (Zweiunddreißigstelnoten der Violinen, scharf punktierte Rhythmen des Orchesters). Interessant ist hier auch das harmonische Geschehen: G-Dur, e-Moll, Halbschluss auf Fis-Dur (der Dominante von h-Moll), worauf dann das Dona nobis (D-Dur) folgt. Obwohl die fugierten Choreinsätze des Dona von rauschenden Violinfiguren umrahmt sind, bleibt die Stimmung ernst. Wiederholtes Absinken der Dynamik ins Piano und Einsetzen des Chores a capella bewirken, dass auch im festlichen Ausklang der Grundcharakter des Werkes gewahrt bleibt.
Was die späteren Orchesterfassungen betrifft, in denen die ursprüngliche Orgelstimme auf die Holzbläser aufgeteilt wurde und zusätzlich auch Hörner verwendet wurden, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass sie Haydns ursprünglichen Vorstellungen über den Klang des Werkes entsprechen. Dass ein Meister, der immerhin schon die „Schöpfung“ instrumentiert hatte, aus „Mangel an Musikern“ die Holzbläser in einer Art Orgelparticell zusammengefasst haben sollte, scheint nicht sehr glaubwürdig, zumal man für den festlichen Anlass, dem das Werk diente, sicher einige Musiker bestellen hätte können und die Feldmusik des Fürsten auch 1798 Holzbläser aufgewiesen haben soll. Es scheint viel eher der ernste Klang des Prinzipalklanges der Orgel gewesen zu sein (Beginn des Kyrie), der Haydn zur Darstellung des Charakters einer „Missa in Angustiis“ wesentlich tauglicher schien als der eher runde Klang der Holzbläser. So gesehen wäre mit diesem Werk Haydns auch ein bedeutsamer Schritt in der Entwicklung der „Messe mit obligater Orgel“ (Liszt, Bruckner, Dvorak) getan.
(Friedrich Wolf im Booklet unserer CD)
Die Messe ist auf CD erhältlich.
Als Solisten musizieren mit uns: Miriam Kutrowatz, Katrin Auzinger, Hiroshi Amako, Yasushi Hirano.
Sonntag, 28. Jänner 2024, 10:30 Uhr
Otto NICOLAI – Messe in D-Dur (1845)
Wenn Carl Otto Ehrenfried Nicolai (9.6.1810-11.5.1849) heute ausschließlich als Komponist der Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ bekannt ist, so spiegelt das den Umfang seines Werks nur unzureichend wider. Zu seinen zahlreichen Kompositionen zählen unter anderem mehrere italienische Opern und ihre deutschen Bearbeitungen, drei Sinfonien, zahlreiche Lieder, Chorwerke sowie geistliche Kompositionen. Seine Messe in D-Dur in der Wiener Fassung von 1844 ist eines jener Werke, die zu entdecken sich lohnt.
Otto Nicolai wurde 1810 in Königsberg geboren. Nach einer unglücklichen Kindheit gelang es ihm, seinem gewalttätigen Vater zu entkommen. Er lebte und studierte ab 1828 n Berlin. 1830 trat er zum ersten Mal als Komponist an die Öffentlichkeit. Dem Opus 1, „Introduktion und Variationen über ein Thema von Mozart für Klavier zu vier Händen“ folgten Lieder, Duette und Chöre, eine erste Symphonie (1831), ein Te Deum (1832) und die erste Fassung seiner Messe in D-Dur (1832) für die Einweihung des Posener Doms sowie die Weihnachtsouverture (1833).
1834 wurde er Organist der preußischen Gesandtschaft in Rom. Aus dieser Zeit datiert seine Kenntnis der Musikpflege an der Sixtinischen Kapelle. Dennoch war es zunächst die Oper, der er sich als Komponist zuwandte. Nach einigen Misserfolgen verpflichtete ihn 1837 der Direktor der Scala, Bartolomeo Merelli, an das ebenfalls von diesem gepachtete „K.K. Hofoperntheater nächst dem Kärntnertor“ in Wien. 1838 begab er sich nach Turin, wo vier Opern von Ihm über die Bühne gingen.
Danach ging er ein zweites Mal nach Wien. Dort wirkte er nicht nur als Opernkapellmeister, sondern er wurde auch der Gründer der 1842 zum ersten Mal veranstalteten „Philharmonischen Konzerte“ – und somit der Wiener Philharmoniker -, die bald zu einem fixen Bestandteil des Konzertwesens der Stadt werden sollten.
Ab September 1847 hatte er die Stellung eines „Königlich preußischen Musikdirektors“ in Berlin inne. Am 20.2.1849 beendete er seine letzte Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“, von der er noch einige Aufführungen dirigierte. Er starb plötzlich am 11.5.1849 an einer Gehirnblutung.
Ende 1844, während seines zweiten Aufenthalts in Wien, ging Otto Nicolai daran, seine bereits 1832 komponierte Messe in D-Dur für Wien umzuarbeiten, „wobei jedoch mehrere Stücke ganz neu komponiert, die Instrumentierung aber durchaus geändert wurde“. Die Messe wurde vom Wiener Hof angenommen und am 27.4.1845 in einem Sonntagshochamt aufgeführt. Partitur und Stimmen wurden dem „Archiv der Hofmusikkapelle“ übergeben, der Komponist erhielt ein Honorar von 100 fl. – sein Ziel, als Musiker bei Hof angestellt zu werden, erreichte er jedoch nicht.
Die Messe erlebte einige Aufführungen in Wien, Nicolai gelang es jedoch nicht, einen Verleger zu finden. Im August 1846 dirigierte er seine Messe auf Einladung des Bischofs von Györ (Raab/Ungarn) zum ersten Mal selbst. Zu diesem Anlass komponierte Nicolai das „Salve Regina“ op.39 und das Offertorium „Assumpta est Maria“ op.38. Am 13.6.1847 kam die Messe in Salzburg zur Aufführung.
Otto Nicolais Messe in D zählt, trotz ihrer Schönheit, zu den unbekannteren Messen des 19. Jahrhunderts. Wie zahlreiche andere protestantische Komponisten, die Messen für die katholische Liturgie schrieben, hatte sich auch Otto Nicolai intensiv mit dem Stil Palestrinas auseinandergesetzt und zeigt vor allem im Chorsatz, dass er den Kirchenstil beherrscht.
Text: Eva Neumayr, Vorwort zur Partitur (Auszüge)
Als Solisten wirken mit: Miriam Kutrowatz, Eva Maria Riedl, Gernot Heinrich, Markus Volpert