Die Fastenzeit 2023 bringt mit der Wiederaufnahme der musikalischen Gestaltung der Gabenbereitung wieder ein Stück mehr Normalität zurück. Mit dem Lockdown vor fast genau 3 Jahren – ja, so lange ist das her! – wurde der Chorgesang praktisch eingestellt, später in Klein- und Kleinstbesetzungen zögerlich und mit Unterbrechungen wieder aufgenommen, und Gesang zu den Offertorien war lange auf Eis gelegt. Das hatte auch den einfachen Grund, dass diese spezielle Form der Kirchenmusik – was den Chor betrifft – fast immer a capella gesungen wird; aber dazu braucht es auch eine quantitative Stabilität in den Stimmgruppen, die bis vor kurzem eben nicht ausreichend gegeben war. – Mehr dazu habe ich bereits in den letzten Newslettern ausgeführt.
Freilich wurden auch in den vergangenen 3 Jahren die Offertorien musikalisch gestaltet, und zwar weitestgehend von der Orgel. Das ist ja per se überhaupt nichts Schlechtes, aber eben nicht das, wofür die Chorvereinigung mit ihrer speziellen Form der musikalischen Gestaltung der Gottesdienste steht. Nun wird jetzt nicht einfach das eine durch das andere wieder ersetzt. A-capella-Gesang, kleine kirchenmusikalische Stücke auch einmal mit Orchesterbegleitung, Solist:innen mit Begleitung, Orchester alleine (z. B. Mozarts Kirchensonaten), Orgel alleine – all das hat seinen guten Platz an dieser Stelle der Messfeier, und es wird in Zukunft Abwechslung zwischen den genannten Gestaltungsformen geben.
Die Chorvereinigung verfügt über ein enormes Repertoire von A-capella-Stücken, die für Offertorien geeignet sind; nur, dass diese nicht mehr „Repertoire“ sind. Was so lange nicht gesungen wurde, muss weitgehend neu einstudiert werden. Für viele inzwischen hinzugekommene Sänger:innen sind einige der Stücke neu.
Am 26. März, dem Fastensonntag „Judica“ (früher: 1. Passionssonntag) sind bereits einige der Motetten zu hören, die wir jetzt nach und nach wieder zurück ins Repertoire heben möchten.
Ansonsten gibt es in der Fastenzeit ja traditionell keinen Gesang zum „Gloria“, und in vielen Messen, die wir in dieser Zeit singen, ist der Teil auch gar nicht erst komponiert. Es gibt auch kein Orchester, mit der Einschränkung, dass wir Schuberts „Deutsche Messe“ aus mehreren musikalischen Erwägungen heraus immer in der Fassung mit Bläsern singen; und bei der einen oder anderen Messe kommt Orgelbegleitung oder sogar ein Instrumentalist als Generalbass hinzu. Pauken und Trompeten haben also weitgehend Pause, bis schließlich am Ostersonntag… – aber das steht dann erst im nächsten Newsletter.
Eine besinnliche Zeit der Buße und Einkehr wünscht Ihnen
Martin Filzmaier, Obmann
Sonntag, 5. März 2023, 10:30 Uhr
J.G. Rheinberger: „Missa Sanctae Crucis“, Messe in G-Dur op. 151 (1882)
Der 1839 in Vaduz geborene Josef Gabriel Rheinberger zeigte schon früh ungewöhnliche Musikalität. Er versah bereits als Siebenjähriger den Organistendienst in seinem Heimatort. Nach erstem Musikunterricht 1844 in Vaduz und 1849 in Feldkirch/Österreich zog Rheinberger mit 12 Jahren in die Wahlheimat München und besuchte dort bis 1854 das Münchner Konservatorium, wo er seine Kommilitonen bald überflügelte und bereits zahlreiche Werke schuf. Als er 19 Jahre alt war, bot ihm das Konservatorium eine Dozentur für Klavier, 1860 für Harmonielehre, Kontrapunkt und Musikgeschichte an, die er bis kurz vor seinem Lebensende ausübte. 1853 bis 1867 war er Organist an verschiedenen Münchener Kirchen. Er war als Kompositionslehrer am Münchner Konservatorium eine Kapazität von internationalem Rang. Zu seinen Schülern zählten unter vielen anderen Engelbert Humperdinck, Ermanno Wolf-Ferrari und Wilhelm Furtwängler sowie eine ganze Generation junger US-amerikanischer Komponisten.
Rheinberger gehörte zu den erfolgreichen Komponisten seiner Zeit, an den Verleger, Musiker und Chöre mit Kompositionsaufträgen herantraten. Als Hofkapellmeister des bayerischen Königs Ludwigs II. nahm er eine zentrale Position innerhalb der katholischen Kirchenmusik in Deutschland ein. Er komponierte lateinische Messen und Motetten, die in ihrer Unabhängigkeit von den einengenden Vorschriften der cäcilianischen Kirchenmusikreformer seiner Zeit wegweisend waren. Die meisten Sakralwerke entstanden in Rheinbergers letzter Schaffensphase.
Rheinberger wurde in München bestattet. Nach Zerstörung der Grabstätte im Zweiten Weltkrieg wurden die Gebeine von Rheinberger und seiner Gattin 1949 nach Vaduz überführt und in einem Ehrengrab auf dem Friedhof der Pfarrei St. Florin beigesetzt.
Rheinberger komponierte die Missa St.ae Crucis op. 151 im September 1882 während eines Sommerurlaubs in Wildbad Kreuth. Sie enthält einprägsame, wunderschöne Motive und vermeidet extreme Stimmlagen. Die einzelnen Sätze sind harmonisch reich gestaltet, mit viel Sinn für Klang und mit den für Rheinberger typischen überraschenden Modulationen. Der Beiname der Messe ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Rheinberger die Komposition 1883 selbst erstmals in der Karwoche in der Allerheiligen Hofkapelle in München zur Aufführung brachte. Später führte er die „Missa in G-Dur“, wie sie auch schlicht genannt wird, auch außerhalb der Fastenzeit auf. Wie alle Werke dieses international nicht überaus bekannten Komponisten, bringt die Missa St.ae Crucis starke Emotionen in den Diensten der Liturgie zum spannenden Ausdruck.
Zum Offertorium singt der Chor die Motette „Tenebrae factae sunt“ von Michael Haydn.
Sonntag, 12. März 2023, 10:30 Uhr
Franz SCHUBERT: Deutsche Messe, D 872 (1826)
Die sogenannte Deutsche Messe (Originaltitel: „Gesänge zur Feier des heiligen Opfers der Messe“) ist ein geistliches Musikwerk aus dem Jahre 1826.
Es umfasst 8 Messgesänge, vom Eingangslied („Wohin soll ich mich wenden“) bis zum Schlusslied („Herr, Du hast mein Fleh’n vernommen“).
Das Werk wurde von einem Professor an der Wiener Technischen Hochschule, Johann Philipp Neumann, in Auftrag gegeben. Von Schubert selbst gibt es zwei Fassungen, eine für vierstimmigen gemischten Chor mit Orgel, sowie eine weitere, die zusätzlich je zwei Oboen, Klarinetten, Fagotte, Hörner und Trompeten, sowie drei Posaunen, Pauken und einen Kontrabass vorsieht. Daneben gibt es mehrere Bearbeitungen von Schuberts Bruder Ferdinand, darunter eine für drei Knabenstimmen mit Orgel sowie eine für vier Männerstimmen ohne Begleitung. Verbreitung gefunden hat das populäre Werk aber durch eine Vielzahl weiterer Bearbeitungen, die häufig auf die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Pfarrgemeinden zugeschnitten wurden.
Ihren Namen hat die Deutsche Messe daher, dass sie, anders als die meisten geistlichen Werke der Zeit, die Landessprache verwendet. Dies, sowie die sehr freie, assoziative und romantisierende Übertragung und Interpretation des liturgischen Textes führte zur anfänglichen Ablehnung des Opus durch das Wiener Erzbischöfliche Konsistorium, erlangte jedoch bald weite Popularität, insbesondere durch die Verbreitung der deutschen Bet- und Singmesse in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Die Gesänge der Deutschen Messe sind im kirchlichen Alltag, insbesondere in Österreich, bis zum heutigen Tag sehr verbreitet und populär.
Sonntag, 26. März 2023, 10:30 Uhr
MOTETTEN zur Fastenzeit:
Mit thematisch nur in die Fastenzeit, bzw. die Karwoche passenden Motetten tritt die Chorvereinigung St. Augustin ein wenig aus der „üblichen“ Gestaltung der Sonntagshochämter heraus. Anders als die vertonten Messtexte der klassischen Messkompositionen vertiefen diese Motetten auf besonders eindringliche Weise spezielle Themen der 40 Tage vor Ostern.
Zum Einzug:
Heinrich SCHÜTZ (1585-1672): Ehre sei dir Christe
Nach der Lesung:
Heinrich SCHÜTZ (1585-1672): Also hat Gott die Welt geliebt
Gabenbereitung:
Melchior FRANCK (1579-1639): Fürwahr, er trug unsre Krankheit
Vater unser:
Igor STRAWINSKY (1882-1971): Pater noster
Danklied (Auszug):
J.S. BACH (1685-1750): Aus tiefer Not
Palmsonntag, 2. April 2023, 10:30 Uhr
Michael HAYDN: Missa Quadragesimalis „Missa dolorum Beatae Mariae Virginis“ MH57/MH 552 (1762)
Neben Wolfgang Amadeus Mozart, der im Jahr 1781 seine Vaterstadt endgültig verließ, war Johann Michael Haydn (1737–1806) in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der bedeutsamste Musiker, der am fürsterzbischöflichen Hof in Salzburg wirkte, und der weit über dessen Grenzen hinaus berühmt wurde. Obwohl Michael Haydns Schaffen alle damals üblichen Gattungen der Musikpflege umfasste – er schrieb neben zahllosen Symphonien und Serenaden auch Opern und verschiedene Singspiele – war er zu seinen Lebzeiten vor allem als Kirchenmusiker bekannt und hochgeachtet. Freilich berührt jene Äußerung Joseph Haydns über den jüngeren Bruder gegenüber dem Verleger Georg August Griensinger gleich zwei Bereiche, die für Johann Michaels Leben als Komponist von entscheidender Bedeutung waren: „In der Kirchenmusik verdienen die Arbeiten seines Bruders, Michael Haydn, eine der ersten Stellen; es sey aber nur schade, dass dieses Fach so schlecht bezahlt werde, denn man könne sich mit einem Dudelsack mehr verdienen als mit Offertorien und Messen“.
Der von Bescheidenheit und tiefer Frömmigkeit geprägte Charakter Michael Haydns hielt ihn von 1763 bis zu seinem Tode 1806 bei mäßiger Bezahlung in den Diensten der Salzburger Fürsterzbischöfe. Zunächst unter Mozart nur als “Hofmusicus und Concertmeister“ angestellt, übernahm er 1777 zusätzlich die Organistenstelle an der Dreifaltigkeitskirche und wurde am 30. Mai 1782 schließlich nach Mozarts Zerwürfnis mit dem Fürsterzbischof als dessen Nachfolger zum 1. Hof- und Domorganisten ernannt. Der größte Teil seiner unübersehbar vielen Kompositionen wurde zu Johann Michaels Lebzeiten niemals im Druck veröffentlicht, und auch die ihm vom Fürsten Esterházy noch 1802 angebotene Stelle als Hofkapellmeister in der Nachfolge seines Bruders Joseph schlug er aus. Karrieredenken und ein – vielleicht auch finanzielles – „Fortkommen in der großen Welt“ blieben ihm Zeit seines Lebens fremd. Zeugnis für die von ihm selbst vielleicht gar nicht so wahrgenommene eigene Berühmtheit legen Kompositionsaufträge des Kaiserhofes in Wien, des spanischen Hofes in Madrid und die Aufnahme in die „königliche Schwedische Musikakademie“ ab. Zu seinen Schülern gehörten Carl Maria von Weber und Anton Diabelli. Johann Michael Haydn blieb auch beim Einfall der Franzosen in seinem geliebten Salzburg und starb nach langer Krankheit verarmt und einsam am 10. August 1806. Den Tod des einzigen Kindes, der Tochter Aloisia Josepha, die er mit seiner Frau, der Hofsängerin Magdalena Lipp hatte, verwand Johann Michael Haydn bis zu seinem Tode nicht.
Michael Haydns Musik lässt einen tiefgründigen und vielschichtigen Charakter erkennen, der sich in seinen Kompositionen niemals zu leeren Floskeln hinreißen ließ. Seine Manuskripte stellen immer saubere und erstaunlich fehlerfreie Reinschriften dar. Seine sehr anspruchsvolle Behandlung des Orchestersatzes steht weit über der seiner Zeitgenossen und übte einen nicht zu verachtenden Einfluss auf den jungen Mozart aus, der sich 1791 für die Komposition des Requiems das berühmte, schon 1771 entstandene Requiem von Johann Michael Haydn als nicht zu verkennendes Vorbild nahm.
Der Chor singt zum Offertorium die Motette „O Haupt voll Blut und Wunden“ von J. S. Bach.