Liebe Freunde der Kirchenmusik!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Die Fastenzeit ist zu Ende. Damit beginnt wieder die Zeit der Orchestermessen in der Jesuitenkirche. Volle drei Monate lang singen wir fast an jedem Sonn- und Feiertag. – Wahre Festwochen der Kirchenmusik erwarten Sie! Bis Ende Juni, mit der Osternacht beginnend, werden 13 Orchestermessen präsentiert, dazu noch das Abendkonzert am 19. Mai. Im April sind es zunächst drei aus unserem regelmäßigen Repertoire: die Messe in B von Schubert, die „Paukenmesse“ und am 17. April eine Besonderheit aus dem kostbaren Schatz der Kirchenmusik: die „Harmoniemesse“ von Joseph Haydn, die wir zuletzt am 9.11.2014 gesungen haben, die letzte Messkomposition des Wiener Meisters. Unbedingt einplanen sollten Sie auch einen Gottesdienstbesuch am 1. Mai, an dem Sie die Große Messe in c-Moll von Mozart hören können.
Schließlich möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass der Kartenvorverkauf für unser Abendkonzert, das Requiem von Giuseppe Verdi (Donnerstag, 19. Mai um 19:30 Uhr) in vollem Gange ist. Wenn Sie Ihre Eintrittskarten noch nicht bestellt haben, dann tun Sie es bitte rasch unter 0664-3366464. Es gibt – Stand Karwoche – allerdings nur mehr Restkarten.
Sonntag, 3. April 2016: Franz Schubert „Große Messe in B“ D 324
Das Jahr 1815 war eines der schaffensreichsten Jahre des Komponisten. Zwei Symphonien, 144 Lieder, vier Singspiele, Kammermusik, mehrere kleinere Kirchenwerke und zwei lateinische Messen waren in kürzester Zeit entstanden. Die Partitur der „Messe in G“ gibt uns Auskunft über die Schnelligkeit, mit der der 18-jährige „Lichtentaler Schulgehilfe“ komponierte. In nur sechs Tagen war ein Meisterwerk liturgischer Musik entstanden. Ende dieses Jahres (das Kyrie trägt den Vermerk „den 11. November 1815“) komponierte Schubert seine dritte lateinische Messe, die „Messe in B“. In Umfang und Instrumentierung größer und festlicher als die G-Dur-Messe (zu den Streichern kommen zwei Oboen, zwei Fagotte, zwei Trompeten und Pauken), soll sie der Anlass gewesen sein, der zum Bruch zwischen Schubert und seinem alten Lehrer Antonio Salieri geführt hat. Der junge Komponist fühlte sich durch verschiedene „Verbesserungen“, die Salieri in der Messe vorgenommen hatte, einfach bevormundet.
In ihrer gesamten Anlage entfernt sich die Messe merklich von den klassischen Vorbildern. Das lyrische Moment tritt stärker als in den vorangegangenen Messen hervor. Zwar bilden Kyrie (Adagio von moto) und Gloria (Allegro moderato) das klassische Satzpaar im Stil der „Sonata chiesa“, doch kommt den Mittelsätzen im Gloria („Domine Deus“) und Credo („Et incarnatus est“) besonderes formbildendes Gewicht zu.
Äußerst knapp bemessen (nur 17 Takte) ist das Sanctus (Adagio maestoso). Die Terzengänge des Hosanna unterstreichen den volkstümlichen Charakter. Benedictus (Andante con moto) und Agnus Dei (Andante molto / Allegro moderato) sind Sätze von großer musikalischer Schönheit und lassen am ehesten die kommenden großen Messkompositionen erahnen.
(CD-Booklet-Text von Friedrich Wolf †)
Die Solisten sind: Cornelia Horak, Hermine Haselböck, Stephen Chaundy und Yasushi Hirano.
Der Chor singt zum Offertorium „Die Himmel rühmen“ von L.v.Beethoven.
Sonntag, 10. April 2016: Joseph Haydn „Paukenmesse“ Hob. XXII:09
Die Anregung zur Wiederaufnahme von Messkompositionen ging in den späteren neunziger Jahren des 18. Jh. von Haydns langjährigen Brotgebern, der Familie Esterházy, aus. Vorerst zog noch eine musikalische Flaute ins fürstliche Schloss: Paul Anton Esterházy (1738–1794), der seinem 1790 verstorbenen Vater Nikolaus Joseph, „dem Prachtliebenden“, (geb. 1714, Haydns jahrzehntelangem Dienstherrn) nachfolgte, hatte keinerlei Interesse an der Tonkunst und gab aus Gründen der Sparsamkeit seinen Musikern kurzerhand den Laufpass. In diese Zeitspanne (1791–94) fallen Haydns ausgedehnte England-Reisen, die seinen internationalen Ruhm als führender Komponist Europas begründeten. Erst Paul Antons Sohn, dem ab 1794 regierenden Fürsten Nikolaus II. (1765–1833), war wieder an einer musisch ausgerichteten Hofhaltung gelegen, und in dem Bemühen, das Hoforchester einigermaßen zu reorganisieren, bat er den in England weilenden Haydn, nach Wien zurückzukehren. Ein wichtiges Anliegen in diesem Zusammenhang war ihm die festliche Begehung des Namenstages seiner Gattin Maria Josepha Hermenegild (1768–1845, geb. Prinzessin Liechtenstein), die in zeitlicher Nähe des (auf den 12. September fallenden) Festes Mariae Namen (das Papst Innozenz XI. 1683 zum Dank für glücklich abgewehrte türkische Bedrohung Mitteleuropas eingeführt hatte) erfolgte. Für das feierliche Hochamt in der Bergkirche zu Eisenstadt oblag es Joseph Haydn, alljährlich eine neue Messe zu komponieren, und er hat sich dieses ehrenvollen Auftrags in schöner Regelmäßigkeit angenommen: 1796 entstehen die Heilig- und Paukenmesse, 1798 die Nelsonmesse, 1799 die Theresienmesse, 1801 die Schöpfungsmesse und 1802 die Harmoniemesse als letztes großes Werk des Meisters.
Die Paukenmesse ist – neueren Forschungen zufolge – nach der Heiligmesse die zweite der sechs späten Messen. Das Autograph ist mit „Eisenstadt 1796“ (leider ohne Tages- und Monatsangabe) datiert. Die eigentliche Uraufführung (man könnte auch sagen: Voraufführung) des Werkes erfolgte am zweiten Weihnachtsfeiertag 1796 in der Wiener Piaristenkirche Maria Treu, erst am 29. September 1797 kam die Messe in der Eisenstädter Bergkirche anlässlich der fürstlichen Namenstagsfeierlichkeiten zu Gehör. Der Komponist nennt sein Werk „Missa in tempore belli“ – „Messe zur Kriegszeit“: Damals zog Napoleon, von Italien kommend, gegen Österreich. Seit 1792 wütete dieser Erste Koalitionskrieg gegen Frankreich, der im Frieden zu Campo Formio vom Oktober 1797 ein nur vorläufiges Ende fand – bereits Ende 1798 folgte der Zweite Koalitionskrieg.
Haydn wählt als Grundtonart das strahlende C-Dur (In vier weiteren der sechs späten Messen bevorzugt er hingegen das etwas lichtgedämpfte B-Dur als Grundtonart.) und besetzt das Werk mit 2 Oboen, 2 Fagotten, 2 Trompeten und Pauken nebst Streichern und der Orgel. Eine spätere Fassung sieht zusätzlich 2 Klarinetten, 2 Hörner und eine Flöte vor.
In vokaler Hinsicht fällt an der Paukenmesse (gegenüber den Hochämtern der vor-josephinischen Periode) die starke Einbeziehung des geschlossenen Soloquartetts auf, wohingegen bis in die achtziger Jahre bevorzugt Einzelsoli geführt wurden. Dieses charakteristische Strukturmerkmal der Hervorhebung des vierstimmig-solistischen Klangverbandes erfährt in der Heiligmesse und einigen der späteren Folgewerke sogar noch eine gewisse Ausweitung und Vertiefung. in einer Schlussfuge (Credo: Et vitam venturi), stellt er das Quartett sogar dem Chor gegenüber. Wie in das gesamte Halbdutzend der nach-josephinischen Hochämter fließen auch in die Instrumentation der Paukenmesse deutlich die Erfahrungen und Errungenschaften der verfeinerten Kunst der späten Sinfonik ein. Die sinfonische Durchdringung ist ein wesentliches Merkmal der kompositorischen Faktur dieser Messe. Auf die individuelle Verwendung einzelner Instrumente, namentlich der Holzbläser, legt Haydn besonderes Augenmerk: Im Kernstück des Credo, dem Incarnatus, sind zwei Klarinetten als charakteristische Farbergänzung gefordert, im Qui tollis des Gloria wird der Bläsersatz um eine Flöte und ein zusätzliches Hörnerpaar (in A alto) bereichert, aus dem Streicherkörper tritt ein Violoncello solistisch heraus. All dies dient fraglos einer vertiefenden Ausdeutung des Textes. Aus der nur musikalisch-künstlerischen Beherrschung ist nunmehr eine auch innerliche geworden. Der Mensch Haydn, zur Spitze seiner Kunst emporgestiegen in den Londoner Symphonien, fügte dem menschlichen Fühlen seine Frömmigkeit hinzu, der irdischen Freude den Glauben an eine metaphysische Gewissheit, an Gott.
Als Solisten hören Sie Cornelia Horak, Martina Steffl, Alexander Kaimbacher und Klemens Sander.
Zum Offertorium singt der Chor „Jauchzet dem Herrn alle Welt“ von Mendelssohn-Bartholdy.
Sonntag, 17. April 2016: Joseph Haydn „Harmoniemesse“ Messe in B-Dur, Hob. XXII:14
Die „Harmoniemesse“ komponierte der 70-jährige Haydn 1802. Sie ist seine letzte große Messe und zugleich seine letzte vollendete Komposition überhaupt. Ihren Titel verdankt die von allen kirchlichen Werken Haydns am reichsten instrumentierte Messe ihrer üppigen Bläserbesetzung, der sogenannten Harmoniemusik. Haydn dürfte sich bei der Komposition bewusst gewesen sein, dass diese Messe in B-Dur sein letztes großes Werk werden würde. So kann man in ihr einen würdevollen Abschied sehen, auch eine Rückschau, die in manchen Tonfällen, Strukturen, ja sogar einzelnen Themen frühere Werke zitiert und integriert.
Eine verdichtete Expressivität – heftige Wechsel von laut und leise, Ruhe und Bewegung, Dur und Moll – prägt den Aufbau der Komposition. Symbolische, teils drastisch prägnante Textdeutung durchdringt die musikalischen Abläufe, und der Klangfarbenreichtum der großen Bläserbesetzung wird meisterhaft eingesetzt. Vor allem aber ist es die Harmonik, die verstärkt mit Dissonanzen, chromatischen Wendungen und Modulationen in weit entfernte Tonarten arbeitet und der Messe ihre ans Romantische grenzende Färbung gibt. Dieses moderne Element ist dabei völlig verschmolzen mit der Bewahrung der barocken Züge, wie etwa der polyphonen Stimmführung: Die Schlussfugen vom Gloria und Credo gehören zu den grandiosesten Sätzen solcher Art überhaupt, sie sind die goldene Ernte der europäischen kontrapunktischen Tradition.
Eine ganz neue Art von Kyrie hat Haydn im Eröffnungssatz entworfen: ein einteiliger breit ausgeführter Adagio-Satz, im Kern komplex instrumental konzipiert, in den die Vokalstimmen wirkungsvoll eingebaut sind. Dieses riesige sinfonische Adagio breitet das in der instrumentalen Einleitung vorgestellte Ausdrucksspektrum von Messen von der erhabenen über die lyrische zur verzweifelten Anrufung in immer neuen Nuancierungen aus.
Noch verblüffender im Vergleich zu allen anderen Haydnschen Vertonungen ist das Benedictus: keine ergreifende, langsame Sopran-Arie, sondern ein aufgeregter Molto-Allegro-Chorsatz.
Die Messe wurde am 8. September 1802, zum Namenstag der Fürstin Esterházy, in der Bergkirche zu Eisenstadt uraufgeführt.
Besetzung: Soli, Chor, Streicher, Flöte, 2 Oboen, Klarinetten, Fagotte, Hörner, Trompeten, Pauken und Orgel
Solisten: Ursula Trattnigg, Hermine Haselböck, Daniel Johannsen und Klemens Sander.
Zum Offertorium singt der Chor „Gelobt sei Gott in höchstem Thron“ von Melchior Vulpius (1570-1615).
Sonntag, 1. Mai 2016: W.A. Mozart – Große Messe in c-Moll, KV 427
Die c-Moll-Messe und das Requiem gehören nicht nur zu den schönsten, sondern auch zu den geheimnisvollsten Werken Mozarts. Mozart scheint in der Zeit der Verliebtheit mit Constanze das Gelübde einer Messkomposition abgelegt zu haben, wenn es ihm gegen die massiven Widerstände ihrer Familie gelänge, sie als Braut heimzuführen. Wir wissen nicht, was die Fertigstellung der c-Moll-Messe KV 427 verhindert hat. Das Credo bricht nach den ersten beiden Sätzen ab, wobei diese auch nur unvollständig überliefert sind. Die Originalpartitur von Sanctus-Hosanna und Benedictus ging verloren, das Agnus Dei fehlt vollständig. Teile des Werkes wurden offenbar am 23. Oktober 1783 in St. Peter in Salzburg – mit Constanze, die den schwierigen Part wohl kaum bewältigt haben dürfte, als Sopransolistin (im Unterschied zum Dom waren in St. Peter Frauen als Ausführende zugelassen) – aufgeführt, wobei Mozart die fehlenden Sätze wahrscheinlich aus älteren eigenen Messkompositionen in C-Dur ergänzt hat.
Eine neue Ergänzung von Robert D. Levin, die am 15. Januar 2005 in der Carnegie Hall in New York zum ersten Mal erklungen ist, greift auf Mozarts Skizzen zur c-Moll-Messe zurück und schöpft Anregungen aus der Kantate „Davide penitente“ KV 469, in die Mozart die Messe zwei Jahre später überführt hatte.
Die Messe in c-Moll KV 427, Mozarts „Große Messe“, ist ein Torso – ein Umstand, der gerade angesichts der Monumentalität dieses Werkes äußerst bedauerlich ist. Die Große Messe in c-moll gehört nicht zu der „häufig konventionell, zuweilen oberflächlich sakralen Musik“ (Robbins Landon), die der Meister zum gottesdienstlichen Gebrauch schrieb – Mozart komponierte sie als frisch verheirateter Ehemann im Sommer 1782 im Gefühl wiedererstandener Frömmigkeit und damit verbundener Neuorientierung.
Die drei Teile des KYRIE sind zu einem Satz verwoben, wobei der erste und dritte Teil das gleiche Hauptthema, Chromatik und Seufzermotive beinhalten und – in der Haupttonart c-moll – vom Chor gesungen werden, der Mittelteil hingegen, das „Christe eleison“, vom Solosopran (mit Chor) in aufatmendem Es-Dur gehalten ist.
Das GLORIA ist in sieben Sätzen ausgearbeitet: Dem mit allen Instrumenten und Chor besetzten „Gloria in excelsis“ folgt der vielleicht bekannteste Satz aus der Messe: „Laudamus te“ mit Sopran Solo. Wie schon beim „Christe eleison“ sehen und hören wir, dass Mozart den beiden Sopransolistinnen einen Tonumfang von über zwei Oktaven abverlangt. Nach dem kurzen, in Moll gehaltenen „Gratias“ musizieren die beiden Soprane nun gemeinsam das „Domine Deus“. In groß angelegter Achtstimmigkeit deklamiert der Chor harmonisch äußerst vielfältige „Qui tollis“ über den ständig im punktierten Rhythmus begleitenden Streichern. Nach Solo und Duett werden im „Quoniam“ die Solostimmen zum Terzett erweitert. Verblüffend ist auch hier wieder der große Tonumfang aller Stimmen. „Jesu Christe“ und die anschließende große Fuge „Cum Sancto Spiritu“ beenden das Gloria.
Das CREDO ist ein Fragment geblieben. Der Chor ist in immer wiederkehrender Thematik – Maestoso – durchkomponiert bis zum „Et incarnatus est“, das nun wieder der Sopran übernimmt. Mit seinem sehr intim gehaltenen Instrumentarium und in seiner weihnachtlich anmutenden Grundstimmung bildet dieser Satz einen klanglichen Ruhepunkt in der Messe. Leider fehlen die restlichen Teile des Credo.
SANCTUS und OSANNA, in einem Satz vereint, konnten auf Grund des vorhandenen Instrumentariums zur unzweifelhaft beabsichtigten Achtstimmigkeit ergänzt werden, ein Verdienst von Alois Schmitt (1901), dem sich heute alle Ausgaben angeschlossen haben. Gerade diese Achtstimmigkeit macht die große Hosanna-Fuge für den Chor zu einer anspruchsvollen Aufgabe.
Auf das zu einem Quartett der Solostimmen erweiterten BENEDICTUS folgt die Reprise des „Osanna“, womit dieses Werk endet, da kein abschließendes Agnus Dei überliefert ist.